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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 24.1913

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Braungart, Richard: Vom Wesen der dekorativen Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7709#0479

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INNEN-DEKORATION

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ARCH1T. KURT LESCHN1TZER —BERLIN. BLICK IN DAS RESTAURANT D. DEUTSCHEN ABTEILUNG AUF DER WELTAUSSTELLUNG-GENT

VOM WESEN DER DEKORATIVEN KUNST

Es gibt eine Kunst — es ist die impressionistische —,
deren Ziel der vollkommenste künstlerische, d. h.
malerische Ausdruck eines im wesentlichen optischen
Eindrucks ist. Ist dieses Problem in irgend einem Sinne
als gelöst anzusehen, dann hat diese Malerei ihren Zweck
erfüllt; und sie wird ihn immer wieder von neuem er-
füllen, so oft im Beschauer der gleiche Eindruck ausge-
löst wird. Selbstverständlich kann auch diese Kunst
dekorativ wirken, und sie tut es sogar häufig mit voller
Absicht. Aber zu ihrem Wesen, zu ihren natürlichen
Funktionen, gehört dieser Wille zur dekorativen Wir-
kung nicht. — Ganz anders liegt der Fall bei der sog. Stil-
kunst. Diese Kunst erfüllt ihren eigentlichen Zweck erst
von dem Moment an, der für die absolute Kunst den Ab-
schluß ihres Werdens, das definitive Ziel bedeutet. In
diesem Moment — dem Augenblick der technischen
Vollendung — beginnt nämlich die Funktion des Bildes,
die sein »idealer Lebenszweck« ist. Diese Funktion aber
besteht in nichts anderem als zu schmücken, sich als
Teil einem Ganzen einzufügen und dabei doch selbst
ein Ganzes und Eigenes zu bleiben: das Geheimnis
jeder guten dekorativen Kunst! — Diese dekorative
Funktion ist also Aufgabe und Kennzeichen jeder ent-
wickelteren Kunst, für die nicht mehr jene zeitweise

verfochtene Theorie Geltung hat, daß das Malenkönnen
an sich schon das Große sei. Dieses Malenkönnen be-
deutet für den Künstler nicht mehr als die vollkommene
Beherrschung seiner technischen Mittel, die natürlich
keine rein mechanische sein darf, sondern immer auch ein
hohes Maß von Intelligenz und Geschmack voraussetzt.
Aber es müßte doch eine geradezu ungeheuerliche Ver-
armung des künstlerischen Schaffens zur Folge haben,
wenn wir nun jedes Streben über das Technische und
über den Realismus hinaus als unkünstlerisch ablehnen
wollten. Die Geschichte der Kunst, vorausgesetzt frei-
lich, daß wir sie ohne Vorurteile studieren und nicht in
der Absicht, Beweise für vorher aufgestellte Theorien in
ihr zu finden, lehrt uns, daß es zwar immer Zeiten gege-
ben hat, in denen das Technische scheinbar zur Haupt-
sache wurde, daß aber das, was der Künstler über das
Technische hinaus anstrebte und zu sagen hatte, doch
stets zum mindesten ebenso hoch wie sein Malenkönnen
geschätzt wurde. — Dieses »Darüberhinaus« aber ist
nichts anderes als der heute so sehr perhorreszierte »In-
halt« eines Bildes, seine Idee und seine meist durch die
Idee bestimmte dekorative Funktion. Ein Andachtsbild
2. B. hatte stets die doppelte Funktion: einen Altar oder
eine Wand zu schmücken und das religiöse Empfinden

1918 SI. 3.
 
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