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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Jaumann, Anton: Über Architektur-Kritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0129

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INNEN-DEKORATION

107

ARCHITEKT HEINRICH STRAUMER-BERLIN

LANDHAUS SCHRÖDER-DAHLEM. OBERE DIELE

ÜBER ARCHITEKTUR-KRITIK

VON ANTON JAUMANN

Die Architektur gewährt kein leichtes Genießen. Ihre
Reize sind nicht wie bei gefälligeren Künsten frei-
mütig zur Schau gestellt, das Feinste gerade ist oft so
geheimnisumgeben, so verschleiert und verriegelt, daß
ein langes Ringen, eine tiefschürfende Arbeit nötig ist,
um es zu finden und zu kosten.

Die Frage erhebt sich, ob die gebräuchliche ästhe-
tische Betrachtung hier anwendbar und zulässig ist. Was
tut der Ästhetiker? Er überprüft die Formen, die Flächen,
die Linienführung, die Proportionen, und sucht ihre Musik
möglichst rein und stark auf sich wirken zu lassen. Dabei
handelt er nach der Theorie, daß das Auge allein auf-
nehmen und genießen soll, daß beim ästhetischen Genuß
alle Nebengedanken auszuschalten sind.

Diese Theorie ist in der Entwicklung der modernen
Kunst einmal von großem Nutzen gewesen, als es galt,
die von allem Anekdotischen, Historischen u. s. w. ab-
sehende Malerei des Impressionismus, die heutige absolute
Malerei vom Standpunkt der Wissenschaft aus zu recht-
fertigen und dem Ästhetiker eine geeignete Betrachtungs-
weise zu liefern. Freilich ist die Kunst selbst davon un-
berührt geblieben. Die Ästhetik als Wissenschaft ist
immer ihre eigenen Pfade gegangen, als Anregerin kam
sie für die Kunst ebenso wenig in Frage wie als Regulativ.
Die Ästhetiker bauen ihre eigenen Systeme, die als Denk-
arbeit, als Konstruktion oft sehr reizvoll sind, nur hat die
Kunst der Gegenwart darin keinen Platz. Sie operieren
gern mit den alten Griechen, mit Michelangelo und Rem-
brandt, viele von ihnen befinden sich noch auf der Suche

nach dem absoluten »Schönen«. Und wenn sie bemüht
sind, der heutigen Kunst gerecht zu werden, wie in dem
Fall der reinen Malerei, ist diese bereits um viele Etappen
weiter. — Unter diesen Umständen ist es nicht weiter
zu verwundern, wenn in unserer Ästhetik auch (trotz
Konrad Lange) das heutige Kunstgewerbe, die Archi-
tektur, sowie die gesamte Nutzkunst recht kümmerlich
bedacht wird. Die Gebote der Zweckmäßigkeit, der
Materialechtheit, der Konstruktivität sind der wissen-
schaftlichen Ästhetik fremd, in ihren Systemen würde es
keine Anhaltspunkte geben, um jene Gebote zu be-
gründen. Sie stammen ja auch eher von volkswirtschaft-
licher Seite, es sprachen sogar ethische Empfindungen
mit, als die Lehre von der Qualitätsarbeit, von der guten
und schlechten Produktion sich herausbildete. Ja, spielen
denn Zweckmäßigkeit, Materialechtheit, Konstruktivität
beim ästhetischen Genuß überhaupt eine Rolle? Wenn
das nicht der Fall ist, dann hat freilich der Wissen-
schaftler keine Veranlassung, sich mit einer »Kunst« zu
befassen, die auf so kunstfremden Prinzipien beruht. Die
richtige Befolgung jener drei Grundforderungen kann
doch, sollte man meinen, nur der Fachmann beurteilen,
und auch dieser nur vermöge seines Wissens, seiner Er-
fahrung und seiner Geschicklichkeit, er muß überlegen,
rechnen, untersuchen und probieren., um zu erklären, was
man für gut oder schlecht zu befinden hat. Ob ihm sein
Wissen, sein sachgemäßes Urteil auch Quelle ästhetischen
Genusses sein kann, das ist doch nicht so ohne weiteres
anzunehmen. Und nun gar verlangen, der Laie müßte
 
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