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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Schulze-Elberfeld, Otto: Wir werden uns wieder finden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0277

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XXVI. JAHRGANG.

DARMSTADT

JULI 1915.

WIR WERDEN UNS WIEDER FINDEN

VON PROF. OTTO SCHULZE—ELBERFELD

Ganz gewiß wird das der Fall sein, denn wir
hatten uns noch nicht ganz verloren. Am
Suchen waren wir allerdings schon seit langem,
unermüdlich am Suchen nach dem Neuen des
nächsten Tages. Tagsüber spähten wir der Sonne
entgegen, um alles im Licht festzuhalten, Licht-
probleme zu lösen und Erlösung vom Schweren
zu erhoffen. Und nachtsüber leuchteten wir in
alle Winkel hinein und ließen die Scheinwerfer
bis zum Horizont spielen, um auch die Nacht
zum Tage zu machen in unserer Ruhelosigkeit,
in unserm Verzehren nach Neuem, nach stärkeren
Eindrücken, nach Sensation, nach Überwältigung.
Wir wollten nicht nur Anteil haben an allem,
wir wollten davon Besitz ergreifen bis zum letzten
Auskosten; wir wollten mittun bis zum Selbst-
verlieren, bis zum Aufgeben alles dessen was
hinter uns liegt. Der große Kinorausch aus merk-
würdigen Bildern und Aufregungen heraus, der
uns zu Ungewöhnlichem entführte, aus Zuschauern
Handelnde zu machen schien, der Wollust und
Raubtiernatur in uns aufpeitschte, trieb uns an
die äußerste Grenze des für ein Kulturvolk eben
noch erträglichen Zustandes. Fast war es wie
der Spuk einer Silvesternacht, dem Katzenjammer

und Glockengeläut das Ende bereiten helfen. Das
Glockenläuten ist stärker, wir finden uns wieder.. .
Diesmal ist es Kanonendonner und gewaltiger
Kriegeslärm, die zur Einkehr und zum Sichbe-
sinnen und Zurückfinden mahnen, die die blassen,
zuckenden Filmbilder vertreiben und an ihre Stelle
mehr als Wirklichkeit setzen. Die Gegensätze
verdichten sich wieder zu einem Volksbegriff,
der wiederum die krankhaften Fremdkörper aus-
scheidet und billigen Tagesruhm und Großmanns-
sucht vor der Tat des schlichten Soldaten ver-
sinken läßt. Das macht der Krieg, der uns zu-
einander führt, uns wiederfinden läßt. Jeder,
der sich verloren glaubte, haltlos fühlte, kommt
am leichtesten und ehesten wieder dadurch zu
sich selbst, daß er sich zunächst seiner Vergangen-
heit erinnert, daß er scheinbar zerrissene Fäden
wieder zusammenzuknüpfen sucht; am sichersten,
wenn er diese Fäden bis in seine Kindheit zu-
rück wieder aufzufinden vermag. So ergeht es
jetzUinserm Volke, das nicht auf 1870/71,1813/15
sondern auch auf Leidenszeiten wie den Dreißig-
jährigen Krieg zurückgreift, Licht und Schatten
abwägt, dann wiederum sich seiner Kulturblüte
zur Zeit des ausgehenden Mittelalters und der

1915. VII. I.
 
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