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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Corwegh, Robert: Wilhelm Kimbel: Inhaber und künstlerischer Leiter der Werkstätten von Kimbel & Friederichsen, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0415

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XXVI. JAHRGANG.

DARMSTADT

NOVEMBER 1915.

WILHELM KIMBEL

INHABER UND KÜNSTLERISCHER LEITER DER WERKSTÄTTEN VON KIMBEL & FRIEDERICHSEN, BERLIN

Höchstes Glück der Erdenkinder bleibt doch die Per-
sönlichkeit«. Vor allem der Künstler muß dieses
Glückes teilhaftig sein. Aus seiner Persönlichkeit fließen
die Formen, in denen er die Welt schaut. Durch die
innere Fülle, wesentlich für jede persönliche Art, müssen
alle Eindrücke der Welt hindurch, hier finden sie Ge-
staltung und Form. Viele verwechseln allerdings das
Wesen der Persönlichkeit mit gesteigerter Eigenart.
Während jede echte Persönlichkeit original an sich ist,
sucht der Individualist das Fehlen seiner persönlichen Be-
tonung hinter Originalität, Freude am Eigentümlichen, zu
verbergen. Schwache Talente besonders unterliegen
hierin der Macht der Einbildung, sie zollen so der Welt-
anschauung der letzten Vergangenheit ihren Tribut. Mit
dem Siege des Bürgertums seit der französischen Revo-
lution und durch sie war das bürgerliche Ideal allmächtig
zur Geltung gekommen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlich-
keit. In ihrer Verallgemeinerung verloren diese Gedanken
Wert und Tiefe. Freiheit wurde zum Recht auf behag-
liche Glückseligkeit, auf reichen Lebensgenuß. Die Gleich-
heit, der Anspruch eines jeden an dieses Recht, so weit
er imstande es festzuhalten, verdrängte in allen Dingen
die Qualität durch die Quantität. Und schließlich war
die Brüderlichkeit diesem egoistisch-individualistischen
Prinzip gegenüber nichts, als eine Konzession an die Ge-
meinschaft, in der jeder einzelne höchstes Glück erraffen
wollte. Die aristokratische Philosophie eines Nietzsche
war der Empörungsschrei gegenüber aller bürgerlichen

Gleichmacherei, und wer Künstlerschaft oder schöpferi-
schen Geist in sich fühlte, Kräfte, die von Natur ihn aus
dem Gleichheitstaumel herausrissen, schwor zur Fahne
dieses Philosophen. Leider vergassen (o Ironie jedes
Zeitgenossentums) diese Schlachtrufer der Persönlich-
keitskultur allzu oft, daß keine Persönlichkeit aus dem
Nichts entsteht, daß Vergangenheiten an ihrem Werden
mitgeschaffen haben. Die echte Persönlichkeit ist das
Ende der langen Kette einer Entwicklung. Und wie Über-
lieferung mit an ihrem Werden gewirkt hat, so darf sie
nie den Zusammenhang mit ihrer Tradition verlieren. Das
gilt besonders für jedes Künstlertum. Kunst kommt nicht
nur sprachlich von Können. Wer frei mit jeder Technik
und Form schaltet, der allein kann seinem Willen den
rechten Ausdruck verleihen, und aus dem Willen und den
Kräften, ihn zu äußern, strömen ja die Quellen alles Per-
sönlichen. Vor allem das Kunstgewerbe, aus dem Hand-
werk geboren, muß immer zu ihm zurückkehren. Nur
die Souveränität über das Handwerkliche, seine freie Be-
herrschung gibt dem Kunstgewerbe die Bedeutung der
Kunst. Die Scheidung zwischen niederen und höheren
Kunstarten ist philosophisch nicht haltbar. Ob ein Schrank
oder eine Bildtafel den Adel der Kunst an der Stirn
trägt, macht für den Adel keinen Unterschied. Zu sou-
veräner Beherrschung des Handwerklichen gehört aber eins
vor allem, Tradition. Alle Künstler der Renaissance in
Italien wußten das und beugten sich gern dem handwerk-
lichen Lehrgang, der über Farbenreiben durch Atelier-

1915. XI. 1.
 
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