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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Schulze-Elberfeld, Otto: Deutscher Stil oder Internationalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0197

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XXVII. JAHRGANG.

DARMSTADT

MAI 1916.

DEUTSCHER STIL ODER INTERNATIONALISMUS?

VON PROF. OTTO SCHULZE-ELBERFELD.

Wenn wir die Frage »Deutscher Stil oder Internatio-
nalismus?« ohne jede Voreingenommenheit, Emp-
findelei oder Gedanken an materielle Schädigung beant-
worten wollen, so wird nicht nur die Beantwortung dadurch
eine weniger schwierige, sondern auch eine gerechtere und
befriedigendere. Engländer und Franzosen könnten für
sich dieselbe Frage stellen und tun es; aber nur von ganz
über den Parteien stehenden Köpfen kann sie in ähnlicher
Weise wie bei uns für Frankreich oder für England be-
antwortet werden, denn Eigenliebe und Vaterlandsliebe
treiben oft seltsame Blüten. Auch bei uns hat die Fest-
legung germanistischer beziehungsweise deutscher Eigen-
tümlichkeiten innerhalb der kunstgeschichtlichen Behand-
lung nicht immer volle wissenschaftliche Begründung ge-
funden, und Leute vom Fach wissen, daß Kunstgeschichte
nicht nur schwer zu schreiben, sondern auch schwer zu
lehren ist. Daß man einen Dürer-Stich von einem Schon-
gauer-Stich unterscheiden lernt, oder ein Bildnis von Rem-
brandt nicht mit einem solchen von Franz Hals oder An-
ton van Dyck verwechselt, will wenig besagen für jemand,
der viel gesehen und mit einander verglichen hat; das
können unsere guten deutschen Museen vermitteln, ohne
daß man je eigentlich Kunstgeschichte getrieben zu haben
braucht. Erst, wenn man sich darüber Rechenschaft ab-
zulegen vermag, wie die Kunst in den einzelnen Ländern,
bei den verschiedenen Völkern und bei einzelnen Künst-
lern geworden ist, was Eigenes, was durch fremde Ein-
flüsse wurde, kann man sagen, man habe Verständnis für

das, was die Kunstgeschichte will. Und einzig allein
daraus, d. h. auf kunst- und kulturgeschichtlicher Grund-
lage, läßt sich die hier gestellte Frage nach dem »Deut-
schen Stil oder Internationalismus?« beantworten.

Wir wissen, daß in der Kunstgeschichte die Haupt-
zeiten nach der Erscheinung der äußeren Merkmale der
Kunstwerke festgelegt worden sind. Stil heißt also soviel
wie Eigenart, Charakter, Wesenseigentümlichkeit, und am
augenscheinlichsten und auch für Laien leicht verständlich
vermochte man diese Stile namentlich an den Werken
der Baukunst auseinander zu halten. Die Stilbezeich-
nung ist anwendbar auf Zeitabschnitte, Länder, Völker,
Rassen, Schulgemeinschaften und Einzelpersonen. Unter
»Deutschem Stil« würden wir also den künstlerischen
Gesamtausdruck unseres Volkes innerhalb eines Zeit-
abschnittes zu verstehen haben, und der jeweilige Begriff
dafür läßt sich um so besser festlegen, je größeren Ab-
stand wir von diesem Zeitabschnitt, sagen wir: der deut-
schen Gotik, der deutschen Renaissance oder dem deut-
schen Barock gewonnen haben. Steht die Stileinheit
und Stilreinheit an sich fest, so birgt sie einen Haupt-
bestandteil des rein Völkischen mit Beimischung fremder
Einflüsse, oder einen Hauptteil der letzteren und eine
Beeinflussung durch das eigene Volk oder Rasse. Ein
jedes Volk ist schon an seinen Grenzscheiden fremden
Einflüssen ausgesetzt; wer die Geschichte der deutschen
Renaissance eingehender auf sich wirken läßt, wird finden,
daß wir nicht nur von Italien allein die neuen Formen er-

1916. V. 1.
 
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