Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

DOI Artikel:
Zoff, Otto: Die österreichische Tradition und das österreichische Kunstgewerbe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0262

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE ÖSTERREICHISCHE TRADITION UND DAS ÖSTERREICHISCHE

KUNSTGEWERBE

In seiner Einleitung zu dem letzten Jahrbuch des »Deut-
schen Werkbundes« hat Peter Jessen, der Direktor
der Berliner Kunstgewerbebibliothek, die kunstgewerb-
lichen Leistungen Österreichs an die Spitze gestellt. Nicht
um den Verbündeten und den Gästen der Kölner Aus-
stellung ein Kompliment zu machen, sondern weil — wie
man sagt — sich nirgends alle Bestrebungen so sehr der
Erfüllung genähert haben. In dieser Anerkennung ist die
Bewunderung eines jüngeren Volkes für die ältere, ge-
festigtere, harmonischere Kultur Österreichs ausgedrückt.
Viel früher als in Berlin hat man in München den benach-
barten Staat schätzen gelernt, hat in Darmstadt mit der
Berufung Olbrichs schon vor vielen Jahren diese Schät-
zung laut manifestiert. Noch schärfer aber als in Deutsch-
land hat man im Ausland die besondere Rolle des öster-
reichischen Kunstgewerbes empfunden. So hat man in
England das rasche Emporwachsen des reichsdeutschen
Kunstgewerbes mehr gefürchtet als geschätzt. Man hat
es als eine zukünftige Konkurrenz auf dem Weltmarkt ge-
ahnt; aber ästhetisch geliebt, d. h. aus Kunstliebe ge-
kauft, gesammelt, in seinen Zimmern benützt hat man vor
allem die österreichischen Erzeugnisse, die weniger einen
bedrohlichen Aufschwung, als vielmehr schon eine ge-
sättigte Vollkommenheit aufwiesen, die einfach gefiel.

Ebenso verhielt sich Frankreich. Im Jahre 1912 hat
die französische Regierung eine Kommission aus Künst-
lern und Handwerkern nach Berlin, München und Wien
geschickt, der die Aufgabe zugeteilt worden war, einen
genauen Bericht über Organisation und Bedeutung des
deutschen und österreichischen Kunstgewerbes zu geben.
Dieser offizielle Bericht, der für die »Commission de
l'Ecole d'Art« verfaßt war, erläutert vor allem die ver-
schiedenen Zweige kunstwirtschaftlicher Arbeit in beiden
Staaten, er enthält in der Hauptsache eine Aufzählung

von tatsächlichem Material, aber auch einen zusammen-
fassenden Passus, der unsere Ausführung beleuchtet. Es
heißt da wörtlich: »Deutschland offenbart sich plötzlich,
kolossal an Schaffensmacht, an Willensstärke, an Können
auf dem Gebiete der dekorativen und gewerblichen
Künste. Wenn es auch nicht die Einheit erreicht, welche
in Wien der Bewegung schon Stil gibt, wo ein so her-
vorragender Geist wie Otto Wagner herrscht und die
Persönlichkeit von Josef Hoffmann, dessen Wirken in
der »Wiener Werkstätte« auf diese Stadt einen bisher
unerreichten Glanz wirft, so besitzt dennoch heute
Deutschland die aktive Führung in diesen Fragen der
Kultur«. Die aktive Führung: hier haben wir wieder die
starke Bewunderung für das organisatorische Talent des
deutschen Reiches; doch der »unerreichte Glanz«, stets
ein Produkt aristokratischer und durch Generationen fort-
gepflanzter Kultur, wird vor allem an Wien gepriesen.

Man kann tatsächlich behaupten, daß die österreich-
ischen Bestrebungen im Kunstgewerbe so alt sind wie die-
jenigen Englands, das man als das Mutterland des Kunst-
gewerbes anzusprechen pflegt. Die zweite Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts hat in beiden Staaten gleicher-
weise einen starken finanziellen Aufschwung eintreten
lassen, während Preußen kaum dem Hunger entgangen
war. Die wirtschaftlichen Quellen in Österreich waren
vor allem unter Maria Theresia und Josef II. so außer-
ordentlich gewachsen, daß eine reiche Entwicklung der
Manufakturtätigkeit und aller Industrien nur die selbst-
verständlichste Folge sein konnten. So stark war diese
Entwicklung, daß selbst die tiefen Erschütterungen des
napoleonischen Krieges keine Einbuße bringen konnten.
Ja man kann sagen, daß die Regierungszeit Franz I. ge-
radezu den Beginn des österreichischen Kunstgewerbes
im heutigen Sinne bedeutet. Architektur und Möbelkunst
 
Annotationen