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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Corwegh, Robert: Dekorative Raumgestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0479

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INNEN-DEKORATION

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DEKORATIVE RAUMGESTALTUNG

Von einer eigentlichen Kunst des Dekorierens, einer
Kunst, die beruflich geübt wird, können wir erst seit
ungefähr einem halben Jahrhundert sprechen. Ursprüng-
lich ist es eine Laienkunst; denn ihre Grundlage wurzelt
im Geschmack, dem Organ des kunstfreundlichen Laien.
Ausnutzung gebotener Bedingungen, Verwenden des
nicht Selbstgeschaffenen bilden ihre Kennzeichen. Der
Kompromiß ist stets Pate ihrer Leistungen. Ihr höchstes
Ziel beruht in der harmonischen Gruppierung des Un-
harmonischen. Von der Bühne und der Festdekoration
her zog sie in unsere Wohnungen ein. Von beiden lieh
sie sich die Vorhänge als ihre Hauptstütze. In Johann
George Sulzers »Allgemeine Theorie derschönenKünste«,
einem Kunstlexikon aus Goethes Tagen, fehlt das Kapitel
»Dekorateur und Dekorieren«. Die stillen Zimmer des
Empire, die spießbürgerliche Behausung des Biedermeier
kennt die Kunst des unnützen Vorhangs nicht. Erst die
Düsseldorfer Genremalerei und die von falschverstande-
nem Meiningertum geschaffene, neue Deutschrenaissance
unserer Wohn- und Eßzimmer ließen einen Türspalt offen,
durch den der Dekorateur in unsere Wohnung schlüpfte.
Aber bald machte er sich darin breit und fühlte sich als

Herr. Portieren, Lichträuber und Staubfänger, hing er
um Fenster und Türen. Eckborde mit dem berüchtigten
Makartbukett füllten die Ecken. Schandflecke der Ta-
peten bekamen eine Verkleidung. Ja, es war eine Ver-
kleidungskunst, die bei uns, ein echtes Kind der Bühne,
einzog. Mit ihrem Haß gegen den »toten, leeren Win-
kel«, gegen den »kahlen Fleck« an der Wand schuf sie
eine Uberfüllung. Erst allmählich mußten wir uns von
ihr freimachen, und unsere Loslösung von ihrer Macht
wurde ihre eigene Erlösung.

Selbst so bedeutende Kunstkenner und Kunstsammler,
wie der jüngst verstorbene Adolf v. Beckerath, sind nie
von ihrer Herrschaft freigekommen. Die Abbildung
seiner Räume im Auktionskatalog der Sammlung läßt in
der Überfülle alle Wohnlichkeit vermissen. Das Neben-
einanderhäufen schöner, ja selbst schönster Gegenstände
gibt keine Einheit, und Einheitlichkeit innerhalb selbst-
gewählter Bedingungen erhebt erst menschliche Tätig-
keit zum Adel der Kunst.

Tür- und Fenstervorhänge, Vasen, Uhren, Thermo-
meter, Waffen, Raritäten, dieses Vielerlei wird nun ein-
mal als Gabe, Erbschaft oder sonstwie in unsere Woh-
 
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