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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Mode-Prognose
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0065

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INNEN-DEKORATION

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ATEL1ER-ENTW: SCHNEIDER & HANAU A G.

»ZIMMERSEITE DES NEBENST. HERRENZIMMERS«

MODE-PROGNOSE

Man sagt, die Frauen sind unberechenbar wie das
Wetter. Aus blauem Himmel zuckt plötzlich der
verderbliche Blitz, zwischen Regenwolken lacht die gute
Sonne doppelt hell und doppelt warm. Doch es reizt
nichts den menschlichen Geist so sehr als gerade das
Unberechenbare. Auf allerlei dunklen Schleichwegen
suchte er den Geheimnissen des Schicksals näherzu-
kommen, Wetterpropheten gab es zu allen Zeiten, und
sie trafen auch nicht öfter daneben als die Prognose der
Gelehrten. Eine schöne Mode ist uns ein dankbar be-
grüßtes Glück, solange als wir den Gang der Mode nicht
errechnen, kaum beeinflussen können. Wissen wir erst
einmal auf Jahre voraus, was sie uns bringen werden an
neuen Linien, neuen Tragweisen, das Moment der Uber-
raschung wird dann vollkommen verloren sein, und was
ist die Mode, wenn nicht eine raffinierte Frauenlist, um
den Mann durch eine neue Erscheinung des weiblichen
Körpers, weiblichen Wesens zu überraschen und zu reizen?
Die Fortschritte der Wissenschaft sind unheimlich; gewiß
wird sie auch eines Tages die verborgenen Gesetze der
Modeentwicklung, ihres Keimens, Blühens und Verfalls,
aufspüren, und ich fürchte sogar, es wird ein Deutscher

sein, dem diese Entzifferung des Moderätsels gelingt.
Aber er wird nur das Ende der Mode weissagen dürfen.
Sie lebt vom Geheimnis, die Entschleierung wird sie töten.

DIE KUNSTGESCHICHTE muß sich einmal auf ihre
formalen Probleme besinnen, die nicht damit er-
ledigt sind, daß ein Schönheitsideal gegen das andere ab-
gegrenzt, d. h. daß Stil von Stil reinlich unterschieden
wird, diese formalen Probleme fangen schon viel weiter
vorn an: beim Begriff der Darstellung als solcher (Bild-
form). Hier ist noch sehr viel zu tun. Über die Entwick-
lung der Zeichnung, der Beleuchtung, der Perspektive
und Raumdarstellung usw. müssen zusammenhängende
Untersuchungen gemacht sein, wenn die Kunstgeschichte
nicht nur Illustration der Kulturgeschichte sein will, son-
dern auf eigenen Füßen stehen soll. Einstweilen sehen
alle diese Versuche noch etwas fadenscheinig aus, aber
wenn die Zeichen nicht täuschen, so ist der Augenblick
da, wo diese wichtigen Ergänzungsarbeiten aufgenommen
werden als Beiträge zu einer allgemeinen »Geschichte des
künstlerischen Sehens«................wölfflin.
 
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