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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Lux, Joseph August: Professor Otto Prutscher - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0229
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XXVIU. JAHRGANG.

DARMSTADT.

JUNI 1917.

PROFESSOR OTTO PRUTSCHER-WIEN

VON JOSEPH AUG. LUX-BAYR. GMAIN

Laßt uns für einen Augenblick Einkehr halten
j in unsere eigene Halbvergangenheit, in die
Sturm- und Drang-Periode der künstlerischen
Bewegung, die damals, vor etwa 20 Jahren, nicht
so sehr eine fachliche oder geschäftliche Ange-
legenheit war, sondern eine geistige Bewegung,
an der wir alle werktätigen Anteil hatten, und
aus der die meisten Schaffenden hervorgingen,
die heute, wenn auch nach mancherlei Wand-
lungen, fertig im Leben stehen. Laßt mich von
dem Wiener Kreis jener künstlerisch gärender
Tage erzählen, in die die Anfänge eines Talentes
wie Prutscher fielen. Der fröhliche Sturm eines
heiligen Frühling, der Morsches bricht, wehte
damals in Wien, es war die Luft der Auferstehung,
das Flügelrauschen einer größeren Zukunft, wenn-
gleich nicht alles, was damals drängend empor
wollte, sich als wirklich zukunftsstark erwies.
Aber es war Jugend da, die ideal wollte, und
das ist immer schön. Einige waren darunter,
wie Olbrich, denen man damals schon getrost Lor-
beer auf Vorschuß reichen durfte.

Diese Jugend sammelte sich um einen älteren
Führer, Otto Wagner, nebenbei bemerkt, der
geistig Jugendlichste unter den Jungen. Im Kaffee

Museum, dem ersten modernen Kaffee, das trotz
der Allerweltsdoktrine von Sachlichkeit eine
gute Wienerische Note hatte und darum vielleicht
so gut Wienerisch war, weil es in der damaligen
Ornamentsorgie den Mut zur Schlichtheit hatte,
in diesem Kaffee also trafen sich die Gleichge-
sinnten und Mitstrebenden, die soweit es Künstler
waren, größtenteils der Sezession angehörten.
Der Kreis war ja in der Hauptsache die Sezession
selber, mit Wagner an der Spitze. Doch der
eigentliche Hausheilige, von Freund und Feind
in gleicher Weise bewundert, um den sich der
ganze Personenkreis wie eine lebendige, feurige
Mauer der Begeisterung stellte, war der begnadete
Meister Gustav Klimt! Die schwarze Kaffee-
stunde zwischen 1—2 Uhr Mittags war die Zeit,
wo die Geister zu einem zwanglosen Plausch in
der Kaffee-Ecke zusammenkamen und wo Otto
Wagner täglich zu sehen war. Plausch, das ist
eigentlich ein zu bedeutungsloses Wort für dieses
Kreuzfeuer von Ideen, Anregungen und Meinungen,
die eine sprühende Atmosphäre schufen, eine
geistige Hochspannung, ein elektrisches Fluidum
von jugendlicher Kraft und Künstlerhoffnung, die
belebend und befruchtend auf jeden wirkte, was

1917. VI. 1.
 
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