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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Hellwag, Fritz: Innenräume und Möbel von Lucian Bernhard
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0021

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INNENRÄUME UND MÖBEL VON LUCIAN BERNHARD

VON FRITZ HELL WAG—BERLIN

Daß der Künstler sich selbst vertraut und an
seine Fähigkeiten glaubt, erscheint fast selbst-
verständlich. Seltener begegnet es uns, daß er auch
an die anderen glaubt; nicht daß er außer sich
selbst noch ein paar andere, künstlerisch Schaffende
gelten ließe — das soll ja vorkommen — aber
daß er den Nichtkünstlern die Fähigkeit, eigene
Persönlichkeitswerte zu erzeugen und herauszu-
stellen, zuspräche. Er liebt es, diese »Anderen«
nur als empfangendes Objekt seiner, des Künst-
lers, Offenbarung anzusehen, und bequemt sich
nicht gern dazu, sie als Subjekt gelten zu lassen.
Und doch müßte, wer zuerst aus sich selbst etwas
zu machen versteht, um so aufnahmefähiger auch
für künstlerische Werte werden. In den letzten
Jahren haben die Künstler das auch mehr ein-
gesehen, als früher, und sie haben mit besonderer
Betonung die Geschmacksbildung des Publikums
gefordert. Aber sie sprachen immer von »Er-
ziehung« und wollten den Verstand belehren,
ohne an das Gefühl zu appellieren. Sie ordneten
»Geschmackskurse« an; einem solchen Kursus
habe ich neugierig beigewohnt. Es war schreck-
lich. Da saßen sonst recht nette Leute, Herren
aber besonders Damen, und stellten sich sehr

dumm an. Sie glaubten, in der Schule zu sein,
mühten sich bebend, etwas zu lernen, was sie
wohl zumeist unbewußt schon besaßen, fragten
nach tausend Selbstverständlichkeiten, kurz sie
benahmen sich so unnatürlich wie nur möglich.
So kam ihnen der Künstler oder der vortragende
Ästhet, weil nur von sich selbst ausgehend, nicht
einen Schritt näher und machte sie noch be-
fangener, als sie vorher gewesen waren.

Sie waren eben die armen Deutschen, von
denen alle zu sagen pflegen, sie seien geschmack-
los; Hopfen und Malz sei an ihnen verloren. Das
hörten sie so oft, bis sie selbst daran glaubten.
Sogar die Frauen, die doch sonst den Künstlern
im Selbstvertrauen am nächsten stehen; aber die
Gelehrten sagten nun einmal, Geschmack sei eine
ästhetische Wissenschaft, die man studieren müsse,
und vor dem Studium graut allen rechten Frauen.
So unterwarfen sie sich eben in ihrem Bereich
der Pariserin, von der man Dank einer geschickten
Weltreklame täglich hörte, daß sie für alle Ewig-
keit den Geschmack gepachtet habe. Da kam
der Krieg und stellte uns vor eine harte Probe;
er durchschnitt das Geschmackskabel nach Paris,
d. h. unser nationales Ehrgefühl hätte uns ohne-

1919.

I-H. 1.
 
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