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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Jaumann, Anton: Abschied und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0135

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XXX. JAHRGANG. DARMSTADT. APRIL 1919.

ABSCHIED UND AUSBLICK

VON ANTON JAUMANN

Wer den großen Zusammenbruch in Deutsch-
land nicht nur als neugieriger Zeitungsleser
verfolgt, wer tiefer blickt, wer mit ahnendem
Herzen mitempfindet, der kann angesichts der
schönen Arbeiten hier, die das einst Errungene
noch einmal vor Augen führen, nur mit tiefer
Wehmut erfüllt werden. Unsere kunsthandwerk-
liche Produktion ist noch nicht ganz vertilgt, ge-
wiß. Die eine oder andere Werkstatt berichtet
noch, daß sie auf einige Zeit zu tun hat. Aber
sind das normale Aufträge? Aufträge, die auf
einen Weitergang der Arbeit Schlüsse zulassen?
Es wird ausgeliefert, was die Kriegsgewinner im
Gefühl des unversieglichen Geldstroms bestellt
hatten. Neue Aufträge gleich Null. Wer baut sich
jetzt ein Landhaus, welche Stadt hat nicht drin-
gendere Sorgen, als ihren Rathaussaal ausstatten
zu lassen? Man kann einfach nicht bauen
bei den jetzigen Preisen. Der eingeschüchterte
Bürger wagt es kaum, sich einen Lampenschirm
zu kaufen. Das Geld, was jetzt verdient wird,
geht in unmittelbarem Genuß auf, in Speise, Trank,
Vergnügen. Nun sitzt der heimgekehrte Meister
vor seinem Ambos, vor seinem Werktisch, und
er weiß nicht, was und wie arbeiten. Soll er nicht

lieber auf die Straße gehen und Politik machen?
Die Stände fahren wütend aufeinander so wie
kläffende Kettenhunde. Der Handwerker beschul-
digt den Arbeiter, der Arbeiter den Bürger, der
Bürger die Regierung. Aber die Tatsache wird
dadurch nicht aus der Welt geschafft, die tief-
traurige Tatsache, daß unsere deutsche Edel-
produktion zusammengebrochen ist.

Sie ist nicht allein zusammengebrochen unter
den Stürmen der äußeren Gewalten. Da könnte
man noch hoffen, daß es mit dem Frieden wieder
gut wird. Wir dürfen die Augen nicht davor ver-
schließen, daß der Zusammenbruch ein innerer,
ein notwendiger ist, daß die Bedingungen unserer
kunsthandwerklichen Arbeit von Grund auf ver-
schüttet sind. —

Die Höchstleistungen im deutschen Kunstge-
werbe vor dem Kriege waren nur möglich unter
der Herrschaft des gegenseitigen guten Wil-
lens und der Begeisterung für die Sache, für
die Kunstarbeit. Wenn Pössenbacher nicht
alte Schnitzer gehabt hätte, die aufgingen in ihrer
Kunst, die mit Leidenschaft und Überzeug-
ung Schnitzer waren, und ihr Herzblut drangaben
für eine gute Arbeit, und wenn nicht andrerseits

1919. IV. 1.
 
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