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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Jaumann, Anton: Abschied und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0136

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116

INNEN-DEKORATION

PROF. DR. E. VON SEIDL-MONCHEN

AUS DEM TEEHAUS J. v. SIEGLE—AMMERLAND

die Schnitzer gewußt hätten, daß Pössenbacher
sie werthielt wie Familienglieder und ihnen soviel
an Lohn zahlte, als der Betrieb irgend zuließ,
dann wären diese feinen Stücke niemals zustande
gekommen. Und das war durchgängig die Basis
des guten deutschen Kunstgewerbes. Wer von
Pössenbacher und ähnlichen Geschäften kaufte,
der wollte nicht bloß Luxus um sich haben und
Kunst, sondern hochwertige, aus gesundem Boden,
aus Herzblut und Leidenschaft erwachsene Arbeit.

Wir wissen heute, daß der Sozialismus nicht,
seinem Namen entsprechend, eine allgemeine Ver-
brüderung erstrebt. Er steht ganz im Zeichen des
Materialismus und will einzig und allein materielle
Vorteile für den Arbeiter. Mehr Geld, weniger
Arbeit! So lautet, allen Aufputzes entkleidet, der
Kampfruf. Über die Berechtigung der Arbeiter-
forderungen braucht hier nicht gestritten zu wer-
den. Der Arbeiter kann, im Besitz der staat-
lichen Herrschaft, jeden Lohn verlangen. Und
wer würde ihm das Geld nicht gönnen? Die
Grenze bildet hier nur die Produktionsmöglichkeit
der Betriebe. Man sagt, diese sei längst über-
schritten. Wir würden die Konkurrenz des Aus-
landes nicht ertragen, auch im Lande würden die
Waren unverkäuflich. Ganz davon abgesehen,

daß bei den fortwährenden Lohnkämpfen eine
vernünftige Arbeit nicht zustande kommt.

Für uns im Kunstgewerbe sprechen alle diese
Momente auch mit: Die jetzigen Preise machen
tatsächlich unsere Waren zum größten Teil un-
verkäuflich. Manche Aufträge kommen nicht zu-
stande, weil niemand für prompte Ausführung und
Lieferung aufkommt. Aber das sind alles doch
nur äußere Symptome für den Zusammenbruch
der Grundlagen, auf denen unser Kunstgewerbe
ruhte. Auch wir waren materialistisch verseucht.
Da war ein Luxus, der sinnlos Geld verschwen-
dete, der mit teuren Stoffen prunkte, der nur dem
Genuß diente. Er mußte den Armen herausfor-
dern, aber man nahm das achselzuckend hin.
Künstler und Unternehmer gab es bei uns in
Menge, die einzig und allein Geld scheffeln woll-
ten, die mit Mustern schacherten und mit ge-
fälschtem Prunk, die das Herzblut des wahren
Künstlers zu billigem Massentand ausmünzten.
Wie wenig Handwerker gab es tatsächlich noch,
die sich für eine gute Arbeit aufopferten! Die
meisten waren kleine Unternehmer geworden, die
über die Künstler und die Handwerkskunst lach-
ten. Ihr Ideal und ihr Traum war, irgend einen
Imitationsartikel zu finden, mit dem sich mühelos
 
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