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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Zucker, Paul: Das Ornament unserer Zeit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0195

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INNEN-DEKORATION

175

aufzufassen, wie sie sich ebenfalls in den letzten Jahren
vor dem Kriege vorbereitet hatte. Nach Uberwindung
der Periode des Zinkgusses und der mahagoniartig lasierten
Fichtenbretter wurde der Grundsatz der »Materialgerecht-
heit« in einem derartigen Maße zum Dogma, daß sogar
die in allen Zeiten eines blühenden Kunststils zur An-
wendung gekommenen Veredlungstechniken ausge-
schaltet wurden. Snobistische Übertreibung des an und
für sich gesunden Prinzips sah im Stucco lustro die ver-
botene Nachahmung edler Marmorsorten, in der Putz-
antragearbeit verfehmte Nachbildung steinmetzmäßiger
Oberflächenbehandlung usw. Ist doch aber durchaus
nicht jeder Veredlungstechnik, die mit an und für sich
minderwertigem Material die Wirkung eines edleren zu
erreichen sich bemüht, der Vorwurf der gewollten Nach-
ahmung zu machen. Ähnlichkeit der künstlerischen
Wirkung bedeutet noch nicht Vorspiegelung materieller
Identität. So ergab sich aus dieser selbstgewollten Ein-
schränkung ein Verzicht auf viele belebende und berei-
chernde Wirkungen. Vor allem aber folgerte daraus die
Verwendung nur weniger und immer wieder derselben
Hölzer, Metalle und Gesteine. Diese Uniformität des
Materiales war mit eine der Hauptursachen der stilistischen
Eintönigkeit, zu der zuletzt die Entwicklung geführt hatte.
Mit Enthusiasmus durften wir endlich in den letzten Jahren
die Verwendung erlesener und mannigfaltiger Stoffe fest-
stellen, konnten wir beobachten, wie durch neuartige
Beizungen altbekannten Holzarten neue Reize abgewon-
nen wurden, wie neue Schmiedetechniken die formalen
Möglichkeiten der Metallbehandlung erweiterten usw.
Naturgemäß wirkte die neugewonnene Bereicherung im
Stofflichen auch auf die formale Weiterbildung, ver-
langte in Wechselwirkung wieder eine neue Sprache der
Linien eine neue Materie zur Entwickelung.

In diesem Sinne wären vielleicht die Ausdrucksformen
zu bestimmen, die das neue Gefühl für Feinheit und Deli-
katesse der ornamentalen Form in den letzten Jahren vor
dem Kriege zu entwickeln begonnen hatte. Es bleibt
jetzt die Frage zu beantworten, ob wir es hier nun nur
mit einer entwickelungsgeschichtlichen Einzelerscheinung,

die keine Folgen zeitigen sollte, gleichsam einer Insel im
historischen Geschehen, zu tun hatten. Ist diese Ent-
wickelung durch den Krieg und die sich aus ihm erge-
benden wirtschaftlichen Verhältnisse abgeschnitten, er-
tötet worden? Ich glaube, — im schärfsten Gegensatz
zu jeder materialistisch bestimmten ökonomischen Ge-
schichtsauffassung — daß derartige einmal in einer völ-
kerpsychologischen Situation entstandene formende Ten-
denzen lediglich ihren inneren Gesetzen gehorchend sich
auswirken, unbeirrt von allen äußeren im Materiellen ver-
hafteten Geschehnissen. So bin ich der Überzeugung,
daß diese wiedergewonnene Freude am Ornamentalen
gerade in einer Epoche, wie sie uns bevorsteht, in ganzer
Intensität weiter leben und sich ausleben wird. Vielleicht
wird das Anwendungsgebiet beschränkt werden, viel-
leicht oder sogar sicher bedingen die kommenden sozialen
Umwälzungen eine weitgehende Typisierung der Wohn-
stätten, Möbel und Gebrauchsgegenstände in jedem Sinne.
Dann wird eben die neue Gestaltungskraft in ihrer An-
wendungsmöglichkeit auf wenige erlesene Gegenstände
beschränkt, aber niemals aufgehoben sein. Und selbst
dann wird es immer noch weite Gebiete künstlerischen
Schaffens geben, innerhalb deren die Verwendung be-
stimmter ornamentaler Formungen nicht zu ökonomischer
Mehrleistung zwingt. Für die Gestehungskosten eines
Buchumschlages, eines Plakates ist es gleichgültig, ob die
Fläche ornamental gefüllt oder einfach von geraden Linien
umrahmt ist. Diese relative Freiheit von ökonomischer
Bedingtheit gilt nicht nur für die graphischen Künste,
sondern auch für das Textilgewerbe, für Tapeten, für
Dekorationsmalerei, sobald sie mittels Schablonierung
ausgeführt wird usw., kurz, für alle jene Gebiete des
Kunstgewerbes, in denen die einmal gefundene Form
mechanisch wiederholt wird. Aber auch Kunstschmiede,
Steinmetzen, Tischler und Architekten werden selbst un-
ter den beschränktesten ökonomischen Bedingungen im-
mer noch in der Lage sein, einzelne besonders betonte
Flächen ornamental zu behandeln. Die Möglichkeit künst-
lerischer Aktivität in neuem Sinne, im Empfinden unserer
Zeit bleibt uns!........................p.z.

ROBERT BOHRA & SOHN-OLSN1TZ. WEISSLACKIERTE GARDEROBEMÖBEL (VERGL. ABBILDUNG SEITE 174)

819. v. i.
 
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