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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Zoff, Otto: Glossen zu einem Architektur-Buch
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0311

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INNEN-DEKORATIOH

291

einen Roman zuerst nach der Grammatik
und dann erst nach der Poesie schreiben.
Er schreibt ihn gleichzeitig nach beiden.
* * *

Tessenow schätzt das Ornament gering
ein. Es sei ein Beweis dafür, daß geistige
Lebendigkeit oder Kraft fehlen müßten. Dies
ist eine Behauptung. Begreiflich als Reaktion
gegen eine Stilepoche, die uns voranging und
die sich in der ebenso blinden als dummen
Anwendung des Ornaments schwer verschul-
dete. Aber in so thesenhafter Weise ver-
dammt, zwingt das Ornament zur Verteidig-
ung. Es läßt sich erwidern: mit geistiger
Lebendigkeit hat das Ornament weder im
positiven noch im negativen Sinn etwas zu
schaffen. Oder sollte man die ganze germa-
nische Kunst unlebendig nennen? Ihr ist das
Ornament Ausdruck der Rasse. Je hyper-
trophischer sie es anwendet, desto tiefer be-
kennt sie sich zu sich selbst. Man denke
ebenso an die nordische Tierornamentik des
ersten nachchristlichen Jahrtausends wie an
die Flechtbandornamente der Langobarden
in Italien; man denke ebenso an das roman-
tische wie gotische Kunsthandwerk. Es läßt

deutsche werkstätten. glasschrank. entw: a. niemeyer

deutsche werkstatten. kleine anrichte u. wandschrank

sich ferner erwidern: auch mit Kraft hat das Ornament
weder im positiven noch im negativen Sinn etwas zu
schaffen. Ursprünglichster, kräftigster, ungebrochenster
Ausdruck ist die ägäische Kunst von allen Künsten, die
jemals ankamen; aber keine hat wie sie — bis in niedrigstes
Handwerk — das Ornament so geliebt, angewendet und
mit Bewußtheit gewollt.

Das Bleibende an diesem Buch: daß trotz aller Theorien
eine Ästhetik des Handwerks gegeben wird, die nicht von
außen her erdacht, sondern die durchaus ursprünglichen
Instinkten und Erfahrungen eines selbst Werktätigen ent-
springt. Vieles von dem, was der Autor über technische
Form, Sachlichkeit oder Wahrheit in der gewerblichen
Arbeit, über ihre Sauberkeit und Reinheit ausdrückt, ist
zwar schon Selbstverständlichkeit geworden: aber es ist
Selbstverständlichkeit geworden, weil Tessenow und
seinesgleichen es zur Selbstverständlichkeit gemacht haben.

Also das Bleibende an diesem Buch: daß es an den
Architekten von Hellerau erinnert. Daß es an den vor-
trefflichen Lehrer der Wiener Kunstgewerbeschule er-
innert. Daß es ein Dokument eines großen Künstlers ist.
Ein schriftliches Dokument aus der Hand eines Bau-
meisters, der unserer Zeit Gesicht geschenkt hat.

Daß es bestätigt, was wir an seinem Werk erkannten:
hier ist der neue Typ des Werkkünstlers. Ein Erzeuger,
der zugleich sein eigener Entwerfer ist; oder auch: ein
Entwerfer, der zugleich seine Entwürfe erzeugt. (Der
nicht mehr die Verantwortung nur für den Anblick,
sondern für das ganze Werkergebnis, für Material, Ver-
arbeitung und Form trägt.) . . Das Bleibende also: daß
weitere Kreise den Namen Tessenow erfahren. . . zoff.
 
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