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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Michel, Wilhelm: Goethe über Farbenwirkung im Innenraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0382

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362

INNEN-DEKORATION

DEUTSCHE BÜCHEREI IN LEIPZIG

GANG ZUR LESEHALLE U. KATALOGRAUM

GOETHE ÜBER FARBEN WIRKUNG IM INNENRAUM

Die Abhandlung »Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe«
steht bedeutsam genug in der Goethe'schen Farben-
lehre und in Goethes Werk überhaupt, um jederzeit die
aufmerksamste Beachtung zu verdienen. Der geheimnis-
voll starke und feine Beobachter, der Goethe war, wird
auch durch moderne Experimente nicht überholt sein, nie
überholt werden können, wo es sich um treue Beurteilung
der Farbenwirkung auf das menschliche Gemüt handelt.
Freilich: Subjektivität haftet solchem Urteil immer an.
Farbenurteile sind Geschmacksurteile, insoferne Not und
Bedürfen des einzelnen Menschen die affektmäßige Be-
wertung des Farbeneindrucks stets beeinflussen wird.
Zugegeben z. B., daß Blau, wie Goethe sagt, ein Gefühl
von Kälte gibt, so werden erregte Naturen die Dämp-
fung, die mit dieser Kälte verbunden ist, eher angenehm
empfinden als ruhige und kräftige Menschen. Goethe
verrät überall eine gewisse Parteilichkeit gegen die
kalten und für die warmen Farben, getreu dem mächtigen
Wirken seines lebensreichen Naturells, das im ganzen
Bereich des Daseins das Warme, Lebenbejahende suchte
und fand. Rot (Purpur, Karmin) trägt für ihn die Ge-
fühlsbetonung der Würde und des Ernstes, Rotgelb
(Orange) die der Wärme und Wonne; und das wird wohl
mit den Erfahrungen der meisten Menschen überein-

stimmen. Dagegen scheint er das Düstere, Schwüle,
Leidenschaftliche und Irritierende mancher tieferen Rot-
farbe nicht empfunden zu haben; nur dem Gelbrot (Zin-
nober) spricht er eine hitzige und ungeheuer gewaltsame
Eigenschaft zu. Seine Parteilichkeit für die warmen
Farben (die er auch Plus-Farben nennt) stimmt übrigens
artig überein mit jener Bemerkung der Frau Rat, daß sie
durchaus kein blaues Kleid an sich leiden könne und Rot
immer vorziehe. Begreifliche Vorliebe einer gesunden
sinnlichen, warmblütigen Natur.

Im Folgenden wird aus Goethes Beobachtungen nur
das hervorgehoben, was direkt oder indirekt mit der
Farbenwirkung im Innenraum zusammenhängt. Ich
gebe das Wesentliche in knappen Stichworten. Ober-
sätze: »Die Erfahrung lehrt, daß die einzelnen Farben
besondere Gemütsstimmungen ergeben . . . Diese ein-
zelnen bedeutenden Wirkungen vollkommen zu empfin-
den, muß man das Auge ganz mit einer Farbe umgeben,
z. B. in einem einfarbigen Zimmer sich befinden, durch
ein farbiges Glas sehen. Man identifiziert sich alsdann
mit der Farbe; sie stimmt Auge und Geist mit sich
unisono«. Dazu die Beobachtung eines geistreichen
Franzosen, die Goethe in französischer Sprache mitteilt:
der Betreffende behauptete, daß der Ton seiner Unter-
 
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