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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Zimmermann, Ernst: "Wohnlichkeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0416

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396

INNEN-DEKORATION

F. A. BREUHAUS —COLN U. DÜSSELDORF WOHNDIELE IM »HAUS ZUM BUSCH«

»WOHNLICHKEIT«

Wohnlichkeit ist der Eindruck eines Zimmers, in dem
man das Gefühl hat, daß jemand wirklich darin
wohnt und man auch selber in ihm gerne wohnen möchte.
Da aber Zeiten und Menschen immer gewechselt haben,
so ist auch der Begriff der Wohnlichkeit keineswegs
stets der gleiche geblieben. Man denke nur an die Wohn-
räume der alten Griechen und Römer, wie sie in Pom-
peji und Herkulanum uns wieder vor Augen getreten
sind, mit ihren kalten Wandbehandlungen, ihrem geringen
Hausrat, in denen sich diese kulturell doch so hoch-
stehenden Völker einst sicherlich ganz restlos wohl be-
funden haben werden, in denen wir jedoch, an ganz
andere, wärmere und reichere Umgebungen Gewöhnte,
des Gefühls des innerlichen Frierens und Verlassenseins
uns wohl kaum ganz würden erwehren können! Oder
auch an die, uns zeitlich doch schon so viel näherstehen-
den Interieurs, die uns die holländischen Maler des 17.
Jahrhunderts in so reicher Zahl vor Augen geführt haben,
die uns gleichfalls heute noch zu leer und kahl erschei-
nen, als daß wir sie als wohnlich für uns bezeichnen
würden! Andrerseits aber werden auch Menschen der-
selben Zeit unter Wohnlichkeit kaum immer das Gleiche
verstehen. Etwas anderes ist es, ob man in weitläufigen,
reichen, überall Platz gewährenden Umgebungen aufge-

wachsen ist, oder ob beschränkte Verhältnisse von früh
an überall zu Einschränkung, Anspruchslosigkeit und
Bescheidenheit geführt haben, die dann so zur Gewohn-
heit werden können, daß das Gegenteil kaum noch be-
hagen kann. Es ist bekannt, daß selbst Goethe in den
reicher ausgestatteten Räumen von Schlössern, auf
denen er zu Besuch war, niemals recht arbeiten konnte.
Das Empfinden für Wohnlichkeit ist eben ein Spiegel
der Zeiten, der Völker und Individualitäten.

Wohnlichkeit deckt sich aber keineswegs immer mit
Wohnungs- Kunst. Sie stehen sich vielmehr oft ganz dia-
metral gegenüber. Wo hnungs-Kunst heißt, wie alle gute
Kunst, Harmonie, Ubereinstimmung in Form und Farbe,
richtiges Verhältnis der Teile zum Ganzen, das Be-
herrschtsein von einem höheren, geistigen, alles nach
rein künstlerischen Gesichtspunkten unter sich zwingen-
den Gesetz. Wo hn 1 i c h ke i t dagegen: leichte Regellosig-
keit, eine Art Unordnung, das Beherrschtsein von den
Bedürfnissen und Gewohnheiten des oder der in den be-
treffenden Räumen wohnenden Menschen, die ja keines-
wegs mit rein künstlerischen sich decken, vielmehr oft
genug mit diesen in einem mehr oder weniger offenen
Kampf stehen, wobei sie, als die in der Regel stärkeren, fast
immer den Sieg davontragen. Sie ist der individuelle
 
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