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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Schaefer, Elfriede: "Den Kindern die Farbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0445

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INNEN-DEKORATION

425

ENTWURF: ARCHITEKT I.A. CAMPBELL SCHLAFZIMMER. BETT MIT ROHRGEFLECHT

»DEN KINDERN DIE FARBE«

Wer liebt die Farbe, wenn es nicht die Kinder
tun ? Die meisten Erwachsenen sind ja so befangen
in ihrem stumpfen Zufriedensein mit den sie umgebenden,
langweiligen, farblosen Dingen. Sie erschrecken, wenn
sie unversehens auf eine starke, leuchtende Farbe
stoßen, sei es im Kunstgewerbe, im Kunstsalon oder im
Treiben der Straße. Ihr traditionelles Empfinden ist ver-
letzt beim Anblick solch freudigen Farbfleckes: »So was
macht man doch nicht!« Und dabei macht man so was ge-
rade ! Man hat es gemacht. In den schönen alten Volks-
trachten haben die Farben leuchten dürfen und die
Häuser vergangener Zeiten begnügten sich keineswegs
mit dem eintönigen Grau, sondern waren ausgesprochen
farbig. In einzelnen Landstrichen sieht man die bunten
Trachten und die grell-roten und blauen Häuser noch
heute. Ist es nicht wundervoll, durch solche Gegend zu
fahren und diese heiteren, bunten Bauten im Grün der
Landschaft zu sehen? Lacht nicht der Himmel noch ein-
mal so blau darüber? Und ist nicht solche Bauern-
stube mit ihrer blauen oder rosa oder auch ganz weiß
getünchten Wand und den grünen Fensterkreuzen viel
schöner in ihrer Farbigkeit als die Zimmer mit der kon-
ventionellen, farblosen Grundstimmung in unseren Groß-
stadtwohnungen? — Wie gesagt, die Erwachsenen wehren
sich noch in der Mehrzahl gegen solche Erkenntnis.
Aber die Kinder lieben die Farbe, und wer sich einmal
klar darüber geworden ist, welch großen Einfluß die
freudige reine Farbe auf das Gemüt und die Phantasie

der Kleinen hat, der muß die Kinder in dieser Vorliebe
bestärken und aller grauen Konvention zum Trotz, Farbe
in das Reich der Kleinen bringen. Eine schöne einfarbige
Wand in der Kinderstube (Ultra marin z. B., worauf far-
bige Bilder herrlich stehen oder Hellgelb oder ein schönes
Grün), Bilder in reinen Farben, auch Wechselrahmen, in
die hinein die Kinder ihre farbenfrohen, selbstgemalten
Bilder tun. Bunte Blumen an die Fenster, farbige Vor-
hänge, auch die Möbel brauchen keineswegs auf Farbe
oder bunte Bemalung zu verzichten, wobei natürlich die
Gesetze der Harmonie stets zu achten sind. Die in
Kinderzimmern üblichen Friese mit schablonierten Szenen
aus dem Kinderleben langweilen meist auf die Dauer.
Die Kinderkleidung ist schon nicht mehr so farblos
wie die der Erwachsenen, aber auch sie könnte noch an
Farbe gewinnen, besonders diejenige der Knaben.

Zur eigenen Betätigung mit der Farbe lieben die
Kinder den Tuschkasten, buntes Klebpapier, Perlen und
bunte Fäden. Sie stellen Dinge damit her, die den Er-
wachsenen vielleicht übertrieben erscheinen, aber es sind
Gestaltungen darunter, die kühn und schön sind in ihrer
Ursprünglichkeit und Farbenpracht. Und das Bestreben
der Kleinen, ihre Arbeiten an den Wänden aufzuhängen,
sollte man keineswegs unterdrücken, denn abgesehen
von pädagogischen Gründen ist schließlich selbst eine
etwas vorbeigeratene, lustig bunte Kinderarbeit immer
noch besser als die trostlose, altersgraue Farblosigkeit
der meisten »Großen«...........elfriede schäfer.

1919. XII. i.
 
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