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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Utitz, Emil: Über den Wert der Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0307

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INNEN-DEKORATION

293

ARCHITEKT LOTHAR WE1NZHE1MER

SCHLAFZIMMER DER TOCHTER

ÜBER DEN WERT DER KUNST

VON UNIVERSITÄTS-PROFESSOR DR. EMIL UTITZ

I.

Immer wieder wird der Versuch unternommen, den
Wert der Kunst herabzusetzen oder zu bezweifeln.
Die Unzahl dieser Versuche läßt sich auf einige Grund-
typen zurückführen. Der eine ergeht sich in unerschöpf-
lichen Variationen über das Thema, Kunst sei Luxus,
keine Lebensnotwendigkeit, wobei das Thema manchmal
offen durchbricht, öfter aber versteckt durchleuchtet.
Ein Hauptvertreter dieser Anschauung ist Tolstoj: »Zum
Ergötzen baut man schöne Häuser, meißelt man Stein-
figuren, malt, tanzt, singt man, spielt man auf verschiedenen
Instrumenten, ersinnt man Verse, Fabeln, Märchen.
Aber das alles dient nur dem Ergötzen und ist keine
wichtige Sache, der man mit Bewußtsein seine Kräfte
widmen kann«. So verstand es und so versteht es noch
heute der Arbeiter, das unverdorbene Volk. .. »Wieviel
Böses entsteht daraus, daß die Parasiten der Gesellschaft
ihren Vergnügungen eine so immense Bedeutung zu-

Aus dem Gedankenkreise meiner eben abgeschlossenen »Grundlegung der
allgemeinen Kunstwissenschaft« — erschienen im Verlage von Ferdinand Enke
zu Stuttgart, 1920 — will ich hier in skizzierender Andeutung einen kleinen Ausschnitt
mitteilen, weil er zu wichtigen Fragen unserer heutigen Kulturlage Stellung nimmt.

schreiben.« Karl Ettlinger erwidert in seinem geist-
reichen Lustspiel »Die Hydra« auf die Behauptung,
Kunst sei Luxus: »Jawohl, so wie die Farben Luxus
sind für den Blinden, oder das Licht für den Maulwurf!«
Das scheint mir die einzig richtige Antwort. Uber die
Bedeutung der Farben kann natürlich der Blinde keine
Auskunft erteilen, sie sind für ihn »unnötig«, weil er
mit ihnen nichts anzufangen vermag, ähnlich wie manche
meinen, die Wissenschaft sei das Reich einiger Sonder-
linge, sie selbst aber kämen ohne sie sehr gut aus und
bedürften ihrer nicht, sie sei also Luxus. Nur wer den
Wert der Wissenschaft in sich erfahren, vermag ihn
zu bestimmen, und die Höhe des Wertes wird nicht
durch die Tatsache geschmälert, daß viele ihn nicht
kennen. Ebenso ist es ausgeschlossen, daß über die
Bedeutung der Musik die Scharen der Unmusikalischen
entscheiden. Wenn sie auch noch so hoch und heilig
versichern, Musik sei nicht mehr als ein angenehmes
Hörspiel oder eine bequeme Phantasie-Anregung, sagen
sie damit lediglich, was für sie die Musik bedeutet, nicht
 
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