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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Michel, Wilhelm: Die entseelende Maschine, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0370

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356

INN EN-DEKORATION

KURHAUS DAVOS. ARCHITEKT MAX OBERMAYER

BLICK IN DEN BALL- UND MUSIKSAAL IM KURHAUS

DIE ENTSEELENDE MASCHINE

AUS DER WEISHEIT DES OSTENS

Wir haben in neuerer Zeit manches Kritische über
die hochgespannte Technik unsres Zeitalters
vernommen. Das 19 Jahrhundert rühmte sich hoch seiner
tausend klugen Apparate zur Bezwingung der Stoffe.
Es pries sich glücklich in der Nutzbarmachung der Natur-
kräfte, die ihm in einer Vollständigkeit gelungen war,
wie nie zuvor. Allmählich erst sah die Menschheit ein,
daß diese Bezwingung der Stoife und Kräfte erkauft war
durch eine seelische Verdorrung. Die Technik ward
erkauft durch die schlimme Geistes-Einstellung des Tech-
nizismus, die Maschine ward erkauft durch Mechanismus,
die Unterwerfung des Stoffes durch Entseelung der
Leistung, die Beherrschung der Kräfte durch Entkräftung

des inwendigen Schöpfertums.............

*

Es ist ganz sicher, daß die Menschheit ein Recht hat,
auf ihre heutige Stellung der Natur gegenüber in gewissem
Sinne stolz zu sein. Auch gab es für sie keine Möglichkeit,
den Weg der Technik nicht zu gehen oder gewaltsam
von ihm abzubiegen. Sie war nun einmal auf Forschen
und zyklopisches Schaffen eingestellt und konnte sich
nicht hindern, zu erfinden, zu entdecken und das Gefun-
dene in ungeheuren Kraftverdichtungen anzuwenden.
Das wußte Goethe, als er in die Tiefen der Zeit sah und
das seltsam resignierte Wort sprach von den Dampf-

maschinen, die nun »nicht mehr zu dämpfen seien«.
Aber ebenso notwendig wie dieser Entwicklungsgang
kommt nun die Erkenntnis, daß der Mensch sich nicht
ungestraft mit dem Apparat einläßt. Er muß bezahlen
für jeden Kolbenstoß, den Dampf oder Explosion bewirkt.
Er muß bezahlen — mit seiner Seele. Der Apparat
bleibt nicht als ein unterwürfiger Diener in der Werkstatt
stehen, er dringt in das Innere des Menschen, zwingt ihm
die Weltanschauung der Maschine auf, nötigt ihn zu denken
mit dem Hirn des Motors. Er schädigt sein Menschsein,

verdirbt seine Hand und verengt sein Herz.......

*

Die tiefe, durchleuchtete Frömmigkeit des Ostens
hat uns aus alten Tagen, lang vor Beginn unsrer Zeit-
rechnung, ein Gleichnis aufbewahrt, in dem diese schmerz-
liche Eikenntnis bildhaft gesichert ist. Dieses Gleichnis
ward erdacht von Tschuang-Tse, dem Schüler des
großen Lao-Tse, der einer wilden, gierigen und verwirrten
Zeit die tiefe ruhevolle Entrückung in die ewige Einheit,
in das Tao, predigte. Es lautet:

»Tse-Kung kam einst an einem Ort nördlich des Han-
Flusses vorbei. Da sah er einen alten Mann, der einen
Graben anlegte, um seinen Gemüsegarten mit einem
Brunnen zu verbinden. Er schöpfte in einem Eimer
Wasser aus dem Brunnen und goß es in den Graben, —
 
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