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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Bunsen, Marie von: Einzeltisch oder allgemeine Tafel
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Wegner, Bertha: Von feiner Seite
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0054

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34

INNEN-DEKORATION

gestaltet sich die andere Alternative. Man sagt sich,
mehr als Höflichkeit hat kein Mitgast von einem zu
fordern, so grüßt man höflich seine beiden Nachbarn,
verzehrt dann, einsilbig, wenn es sein muß antwortend,
sonst schweigend das Vorgesetzte. Man tut Niemandem
etwas zu leide, hegt die humansten Gesinnungen, will
aber ungestört und still sein Leben genießen. Ist das
tatsächlich ein so unerhörtes Unterfangen? Anscheinend
ja, denn nach wenigen Tagen wird man vom ganzen
Tisch gehaßt; finster mißbilligende Blicke erhascht man,
lieblos harte Bemerkungen überhört man. Diese Feind-
seligkeit ist nicht zu ertragen, sie verdirbt die Stimmung,
man wird mürbe und flieht, um anderswo sich des retten-
den »Einzel-Tisches« zu bemächtigen.......

*

Dabei sind selbstverständlich die reizvollen Zufällig-
keit ender Reise-Bekanntschaften sehr zu schätzen; intime,
fördernde Freundschaften entwickeln sich, mit fesselnden,
sonderbaren Menschen kommt man zur Aussprache,
viel ist von solchen unerwarteten Begegnungen zu lernen.
Meiner Erfahrung nach finden sich jedoch sehr bald, ganz
von selbst, die zusagenden Menschen. Von dem sichern
Schutz des Einzeltisches aus hat man sich beobachtet,
bei Gelegenheit einer gereichten Zeitung, im Fahrstuhl,
auf der Veranda ist man plötzlich in eingehender Unter-
haltung. Allerdings hätte die »Allgemeine Tafel« mög-
licherweise diese Bekanntschaft schon am ersten Tag

vermitteln können, man soll aber keine Wunder erwarten,
nicht Hazard spielen, man soll lieber vorsichtig mit
Wahrscheinlichkeiten rechnen, deshalb sich vorderhand
an das Bollwerk des »Einzeltisches«, an diesen Be-
obachtungsposten halten . . Daß die meisten Menschen
diese letzten Ansichten teilen, ergibt sich aus dem überall
bemerkbaren Niedergang der »Allgemeinen Tafel« .. Die
liebenswürdig wahllos Geselligen müssen heutigen Tags
doch wohl die Minderheit bilden. . . marie von bunsen.

*

VON FEINER SITTE

Feine Sitte ist das Ergebnis innerer Lebensweis-
heit und äußerer Lebenskunst. — Wem sie zu
eigen, dem ist ein Freibrief gegeben, der Türen und
Herzen öffnet; wer auf sie verzichtet oder ihr es entraten
zu können glaubt, beraubt sich selbst der siegreichsten

Waffe im Verkehr mit Menschen............

Feine Sitte ist ein Schild, der menschliche
Schwächen deckt, menschliche Vollkommenheit aber
in umso hellerem Lichte erstrahlen läßt. Vielgestaltig
und wechselvoll ist ihr Wesen. Es wäre unmöglich,
feste Grenzlinien für diesen Begriff zu ziehen, gäbe es
nicht eine Grundlage, auf der er sich aufbaut und
einen Kernpunkt, um den er sich sammelt: Herzens-
takt, Feingefühl und Selbst-Erziehung. Der Kern-
punkt aber ist die Nationalität... Bertha wegner-zlll.
 
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