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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Utitz, Emil: Kunsthandwerk und Industrie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0113

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INNEN-DEKORATION

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ENTWURF: GERHARD SEVERAIN — WIESBADEN GARDEROBERAUM MIT SPIEGEL U.ABLAGE

Gewiß schien es zuerst, als ob der maschinelle Massen-
betrieb die Arbeit des Einzelnen zur vollkommenen Ano-
nymität auslöscht, das Individuum schlechthin unter-
ordnet dem riesigen Räderwerk einer alles umspannenden
Organisation. Das Warenhaus verschlingt zahlreiche
Spezialgeschäfte, die Fabrik bedroht das Handwerk. Und
die Großbetriebe haben die Neigung zu Aktienunter-
nehmungen auszuwachsen, deren Träger die kapitalistisch
gesinnte und interessierte Gesellschaft ist. Dieser Um-
wandlungs- und Verschmelzungsprozeß scheint noch
nicht abgeschlossen; der Staat vermag lediglich regu-
lierend in ihn einzugreifen. Die Kritik wendet sich nur
selten gegen diese Wirtschaftsformen als solche, sondern
erörtert mehr die Frage, ob die Erträgnisse einer kleinen
Gruppe oder der Allgemeinheit zufallen sollen. Je weiter
aber die Maschine ihr Reich ausdehnt, die Organisation
ihre Netze auswirft, um so deutlicher werden Probleme,
die im Kindheits-Stadium des Industrialismus nur wenigen
auffielen. Der einzelne, der schnell reich werden will,
kann — wenn es sein Gewissen zuläßt — mit Massen-
erzeugung billiger und schlechter Ware sich begnügen.
Bevor das Publikum merkt, daß die scheinbar billigen
Erzeugnisse im Grunde sehr teuer zu stehen kommen, hat
sich jener schon hinreichenden Gewinn gesichert. Aber

ein auf die Dauer berechnetes Unternehmen darf solchen
Leitsätzen nicht folgen; sein Name schon muß Gewähr
für Güte und Solidität sein. Dieser Ruf wird zur besten
Reklame. Je fortgeschrittener ein Industriezweig ist,
umso stärkeren Wert legt er dem Qualitäts-Ideal bei.

*

Qualität maschineller Erzeugung bedeutet höchstmög-
liche Exaktheit, Präzision. Es werden gleichsam die Maß-
stäbe wissenschaftlicher Strenge angelegt. Zu jener Voll-
kommenheit müssen unter allen möglichen Materialien die
zweckdienlichsten ausgewählt werden; sie bedürfen an-
gemessener und ökonomischer Behandlung. Und gerade
weil die Maschine bloß ein starres Verfahren gestattet
und sich jedem individuellen Spielraum widersetzt, müssen
die einzelnen Typen mit größter Behutsamkeit nach
gründlicher Erprobung festgelegt sein. Sie sind der Stolz
der Industrie, das, was gar nicht oder nur sehr schwer
nachgeahmt werden kann; denn der ganze Betrieb ist auf
sie eingestellt, das gesamte Schaffen in ihrem Dienste.
Und ihre Vervollkommnung geht gleichsam organisch
vor sich, durch stetig wachsende Erfahrung, durch neue
Erfindungen und Entdeckungen. Der Patentschutz ist
bloß äußeres Symbol dieser unablässigen Arbeit, die sich
durch vollendete Rationalisierung selbst schützt. Nur
 
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