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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Sörgel, Herman: Die Fundamentalbegriffe in der bildenden Kunst
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Lang, Hugo: Der Sparsamkeits-Fanatiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0167

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INNEN-DEKORATION

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sammen. Und das führt uns zu dem zweiten Punkt, den DER SPARSAMKEITS-FANATIKER
wir aus den beiden Obersätzen über die Form zu schließen

haben: 2. Die Fläche, der Körper und der Raum er- Oeit vielen Jahren führt der Wiener Architekt Adolf
geben in ihrer ästhetischen Gestaltung wesenseigene O Loos mit scharfgeschliffener Feder einen Kampf
Künste, welche in ihren Bildungs-Idiomen durchaus nicht gegen das »Ornament«. Da er in Österreich, dem Land
vermischt, verwechselt oder gleichgesetzt werden dürfen, der farbenfrohen Volkskunst, nicht recht ernst genommen
Wie die Form in der Flächenkunst Malerei wird, verkündet er neuerdings seinen Aufruf zur »Spar-
eine andere Struktur und Bedeutung hat als in der samkeit« in ausländischen, — französischen Zeitschriften.
KörperkunstPlastik und derRaumkunstArchi- Die Hartnäckigkeit seiner Angriffe läßt es erforderlich er-
tektur, so spielen natürlich die Elemente Fläche, scheinen, kurz darauf einzugehen. (Denn auch in Deutsch-
Körper, Raum in den drei bildenden Künsten auch ihre land haben wir solche Apostel.) Schält man aus der
eigenen, fundamental unter sich verschiedenen Rollen, rauhen Hülle den Kern, so sagt Adolf Loos etwa folgendes:
Während der Begriff Form, wie wir gesehen haben, in »Mit Zierat verunzieren Papua-Neger, Fidschi-Insu-
Malerei, Plastik und Architektur allgemein anwendbar Ianer, eventuell noch moderne Kunstgewerbler ihre
ist, muß man aber bei den Begriffen Fläche, Körper und Gebrauchsgegenstände. Es gibt kein Künstler, dem ich
Raum vorsichtig unterscheiden. Sicher gibt es auch in der das Recht zugestehen würde, an Gegenständen unseres
Malerei Körper- und Raumwerte, in der Plastik Flächen- täglichen Gebrauchs seine Phantasie, seinen » Ge-
und Raumwerte, in der Architektur Flächen- und Körper- schmack«, sein »Stilempfinden«, austoben und diese Dinge
werte, aber sie sind dort nur in übertragenem Sinne, als für den vernünftigen Gebrauch unverwendbar machen zu
etwas Untergeordnetes, Sekundäres berechtigt. Die Er- dürfen. Wernicht Senegal-Neger, sondern ein zivilisierter
zeugungs-Elemente des malerischen, zweidimensionalen europäischer Mensch sein will, hat vor allem das zu sein,
Flächenbildes sind zwar auch Körper und Räume, aber wasichden»MenschenmitdenmodernenNerven«genannt
nur dargestellte, unmaterielle, auf die Leinwand proji- habe. Der Mensch mit den modernen Nerven aber ver-
zierte. Die Bildungsglieder des architektonischen Raumes ahscheut schon instinkthaft alles Unzweckmäßige, allen
sind zwar Flächen und Körper, aber es sind keine selb- Humbug, jeden unnötigen, mit unserer Lebensweise und
ständigen Flächen und Körper wie in der Malerei und unserem Lebens-Tempo unvereinbaren Firlefanz. Der
Plastik, wo die künstlerische Fläche und der künstlerische Mensch mit den modernen Nerven ist darum auch sparsam;
Körper jeweils ein organisches, in sich abgeschlossenes er wird es nicht erlragen, an irgend eine Sache mehr

und für sich allein be- _ _____ oder kostbareres Material,

stehendes Ganzes bilden. ^^^^^^^^^^^^^^^^^t^ mehr Arbeitskraft, mehr

Es ist also falsch, diese
Elemente gleichzusetzen.
Ausdrucksformen wie »ku-
bisches Raumbild «,» Raum-
plastik«, »plastischer Raum«
usw. usw. sind ästhetisch
Unsinn. Sie verraten wenig
Einsicht in die fundamen-
talen Bildungsgesetze der
Malerei, Plastik und Ar-
chitektur, welche ein für
allemal unwandelbar vor-

willkürlicher Regeln so frei
scheinen, als ob es ein
Produkt der bloßen Natur

Wäre. . . . IMMANUEL KANT.

Zeit gewendet zu sehen, als
es dieser Sache entspricht.
Der Mensch mit modernen
Nerven ist wahrscheinlich
das anspruchloseste Wesen,
das man sich denken kann;
denn da alles, was er tut,
vom Geiste unbedingter
Zweckhaftigkeitbeherrscht
ist, verabscheut er jedes
unnötige Zuviel. An der
bis ins Krankhaft-scheinen-

bestimmt und festgestellt /»'^^'S^'" ^ '-■1 ":'''r I -i\ ^Cn gesteigerten Scheu,

sind: in dem zweidimensio- j^^^^^^i^^^^^rj^id^S^^^Ss^t^^. kein Gut zu verschwenden,
nalen, flächenhaften Bild,
in dem dreidimensionalen,
kubisch konvexen Körper
und in dem dreidimensio-
nalen , kubisch konkaven

Raum. . . . herm. sörgel.

KUNST und NATUR

Vor einem Kunstwerk
kann man sich wohl
bewußt werden, daß es
Kunst sei und nicht Natur,
aber doch muß die Zweck-

erkenne ich den Menschen
mit den modernen Nerven.
Dem sparsamen Menschen,
der eine Fiktion, wie der
unseres Geldes, nicht den
geringsten Wert beizulegen
vermag, dem es aber uner-
träglich wäre, tatsächliches
Gut, und wäre es ein hal-
bes Blatt Papier, oder eine
Schacht el Streichhölzer ver-
schleudert zu sehen: Dem
Sparsamkeits-Fanatiker ge-
hört die Zukunft. Der Mann

mäßigkeit in der Form des- S^^^itf^^^ mit den modernen Nerven

selben von allem Zwang

muß wieder aufbauen ,

Soweit Adolf Loos! Was
ist dazu zu sagen? Es steht
schrankchen mit Vitrine in nussbaumholz üf zweifellos fest, daß primi-

tiveEntwicklungsstufenund

lothar we1nzhe1mer.

1931. V. 2.
 
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