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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Schiebelhuth, Hans: Das Wesen des Kamins
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0191

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INNEN-DEKORATION

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PROFESSOR PAUL SCHULTZE-NAUMBURG KAMIN IM WOHNZIMMER. HAUS L.-BERLIN

DAS WESEN DES KAMINS

Ich liebe und lobe den Kamin im modernen Heim,
weil er das älteste Erbe menschlicher Wohnkultur ist.
Ich weiß wohl, der große Kachel-Ofen ist oft praktischer,
heizt ein Zimmer besser durch, teilt dem Raum ein
breiteres Behagen, eine heimlichere Gemütlichkeit mit.
Aber er wird doch den Kamin nie ganz verdrängen
können, denn die Wohnlichkeit am offenen Feuer hat mehr
Poesie. Kamine sind wohnlich, der Kamin ist das Sym-
bol der Wohnlichkeit selbst. Man wohnt bestenfalls mit
Ofen, aber man wohnt am Kamin! Der Ofen steht im
Zimmer wie ein guter, alter, väterlicher Freund, man
hat ihn gern. Anders der Kamin, man liebt ihn; an ihm zu
wohnen birgt für uns Geheimnisse, Zauber und Reize, wie
sie anfang-alt in das Wesen unserer Seele verwoben sind.

Der Kamin gibt uns mehr als der Ofen, weil er mit
dem physischen Behagen auch eine metaphysische Mitgift
an uns hat. Er vermittelt das ältere Erlebnis: denn die
offene Feuerstätte ist die Urform, in der sich der Mensch
das Geschenk des Prometheus dienstbar machte, von
ihm stammt erst der Herd, der Ofen, die Esse. Am
Ofen döst man, am Kamin ist gut zu träumen. Die mittel-
bare Wärme des Ofens schläfert uns ein, die unmittelbare
Glut im Kamin hält uns in den Tiefen seltsam wach.

Das Erlebnis am Kamin ist das tiefere, ursächlichere.
Am Kamin erlebt man das Feuer, am Ofen erfährt man
die Wärme. Im Ofen brummt das Feuer wie ein gefes-
seltes Biest, im Kamin kommt es uns durch die wilde
Nacktheit der Flammen nah, seine Dämonie und seine wohl-

tätige Macht dringen unvermittelt, ungebrochen in uns ein.
Das Erlebnis des Feuers ist das erste und älteste wohl,
das der Mensch kennt. Himmel und Hölle, Gott und der
Teufel sind ihm von jeher ohne die guten und bösen Eigen-
schaften der Flamme undenkbar geworden. Auf der
untersten Entwicklungsstufe baute sich der Mensch sein
Haus um die Feuerstatt; es galt ihm, nicht nur seine Leib-
lichkeit, sondern in erster Linie auch das lebenswichtige
Feuer gegen Wetter und Wind zu schützen. Eine solche
Tradition macht uns den Kamin im Hause sehr wert.
Die Menschheits-Geschichte ist in allen ihren Beziehungen
tausendfach mit dem Erlebnis des Feuers verbunden, wir
sehen am Feuer den Werkmann, den Schmied, den
Bauern, den Erfinder; am Feuer sitzen die Helden der
Sage, das Feuer bewachen feindliche Wesen mit my-
thischer Macht, es brennt hoch in den Hallen der Könige,
Priester hüten die heilige Flamme, Brandopfer rauchen
in uralten Tempeln, am flackernden Feuer sitzen die
Gestalten unserer tiefsten Märchen, die Weisen sitzen
dort, die Künstler, die Dichter . . . Und ist es ein
schlechtes Symbol, zu sagen, daß unser Erden-Dasein
im Tieferen nur ein Feuer ist, das offen unbegreiflich
in einem schönen, sterblichen Gehäus verbrennt? . . .

Der Kamin begeht kaum einen Raumraub. Er kann
eine Wandfläche sehr beleben. Dies sind seine baulichen
Vorzüge. Eine gemütliche Kamin-Ecke ist schnell ein-
gerichtet, ein paar Sessel, tief und bequem, ein kleiner
niedriger Tisch, richtig gerückt, das ist alles. Dort kann
 
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