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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Sobotka, Walter: Das Möbel als Gerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0196

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176 INN EN- DEKORATION

ARCHITEKT WALTHER SOBOTKA-WIEN SCHLAFZIMMER. KAUKASISCH NUSSBAUM

DAS MÖBEL ALS GERÄT

VON ARCHITEKT WALTHER SOBOTKA-WIEN.

Mag auch die Zeit, da man einen Schrank architek- gefertigt, hat seine eigene Seele und will sich nicht der
tonisch wie die Fassade eines Bauwerkes mit schräg gegenüberstehenden Kommode oder gar der hinter
Sockel, Säulenordnung und Gebälke gliederte und über- ihm selbst stehenden Wand anbiedern. Es steht nur da
dies mit einem bekrönenden Giebel nach oben ausklingen und gerade an dieser Stelle, weil man es hier braucht,
ließ, weit hinter uns liegen, so hat sich die Entwicklung morgen vielleicht steht es im Nebenzimmer und wird
des Möbels noch lange Zeit im Zusammenhang mit dort ebenso freundlich aussehen und sich nicht wie in
jener der Architektur vollzogen und zugleich mit dieser der Verbannung um die Verwandten im Nebenzimmer
von dem Kanon traditioneller Formen abgewendet, ohne grämen. Die Befreiung von »kompletten Möbelgarni-
indes auf deren klassizistische Symbolik verzichten zu turen«,diedersentimentaIenFreudeamFormen-Reichtum
können . . Die Erkenntnis vom wahren Wesen des weichen mußten, wird zur selbstverständlichen Begleit-
Möbels, die darin gipfelt, daß es dem Gerät zunächst erscheinung modern eingerichteter Räume und vermittelt
verwandt, und seine Formen eine Funktion des Gebrauches unverhofft das Verständnis für die neue Auffassung
und der menschlichen Proportionen seien, schien ganz von Möbel und Wohnung.. Wird doch dieselbe Wirkung,
in Vergessenheit geraten. Mit abgeschlagenen Gesimsen — auch ohne bewußte Nachahmung altertümlicher Viel-
und Profilen stand der übliche, dreigeteilte Kleider- und fältigkeit, — durch die modernen Prinzipien erreicht.
Wäscheschrank immer noch als Rudiment eines Bau- Ja, sie wird zur Selbstverständlichkeit, wo alles auf eine
blockes mit betontem Mittelrisalit da. In solch unfrucht- tiefere Erfassung des Iahaltes gerichtet ist und sich von
barer Starrheit pflanzt sich bis heute eine Tapezierer- gedankenlosen »Zier«-Formen befreien will, die sich im
tradition fort, die durch Variation ihres Systems in allen Zeichen des Kunstgewerbes ungebührlich breit gemacht
möglichen Stilarten dem Geschmack des Publikums ge- haben. Aus ihrer Unsachlichkeit spricht das Unvermögen,
recht werden will. Nun ist es aber geschehen, daß dieses die Materie zu gestalten. Wir wollen aber um uns
Publikum eigene Wege ging und auf der unklaren Suche Gegenstände haben, die uns etwas sagen und nicht mit
nach etwas, was auf unserem Möbelmarkt noch nicht Redensarten und Scherzen in Anspruch nehmen! — Ein
existiert, in den meisten Fällen beim Antiquitätenhändler Ornament darf nie aus einem einfachen Gebrauchs-
landete. — Allein der Umstand, daß der Kauf und das gegenständ ein »Dekorationsstück« machen. Die wenigen
Einrichten mit alten Möbelstücken so überhand genom- Elemente des Möbelstückes: Stütze, Platte, Kasten usw.
men bat, sollte zu denken geben . . Der unbestreitbare müssen auch in mannigfacher Zusammensetzung ihre
Reiz solcher Räume geht vom Einzelmöbel aus. Jedes Funktion deutlich erfüllen und dem Ganzen die unmittel-
Stück von einem anderen Handwerker, zu einer anderen bar einleuchtende Logik jeder guten Konstruktion ver-
Zeit, aus anderem Holz, zu einem anderen Zweck an- leihen, in der rein handwerkliches Können durch den
 
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