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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Jaumann, Anton: Die vier Aufgaben des Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0210

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT DR. JOSEF FRANK —WIEN SCHLAFZIMMER IN EINEM SIEDLUNGSHAUS

DIE VIER AUFGABEN DES ARCHITEKTEN

Für den Architekten ist der Bau ein System von Maßen, setzt der Architekt als Künstler ein. Er sorgt dafür,

von Winkeln und Verhältnissen, und zugleich ein daß eine Form mit der anderen harmoniert, daß ein gutes

finanzielles Gerüst, in dem Arbeits- und Materialkosten, Verhältnis entsteht zwischen den Teilen untereinander

Boden- und Gebäudewerte, Hypotheken, Mieten und und zum Ganzen. Er gestaltet die technischen Dinge so,

Zinsen die wesentlichsten Faktoren darstellen. Der Laie daß ihre Gesamtform und ihre Glieder klar hervortreten,

sieht gottlob diese vielfältigen Zahlengebäude nicht, und daß ein künstlerisch interessantes Gebilde entsteht.

Aber dem Architekten ist zunächst das Bauen fast nicht Die Türe wird eine Form, ein Rechteck mit aparter

mehr als ein stetes Rechnen; er muß die Partitur der Teilung, das Dach ein System von schiefen Ebenen. . .

Zahlen gründlich beherrschen, bevor er Musik macht... Künstlerisch gelöst ist die Bau-Aufgabe, wenn aus

* allen Baugliedern gute künstlerische Formen ge-
Nicht minder wichtig ist die technische Lösung, worden sind, und wenn diese Formen sich zu einer großen

Wir können das Haus auch als ein System von Zweck- Einheit zusammenschließen. Wo stillose oder stilfremde

mäßigkeiten auffassen, die entweder mit seiner eigenen Formen sich zeigen, bleibt immer ein ungelöster Rest.

Erhaltung oder mit der menschlichen Benutzung zu- *

sammenhängen. Die Mauern stützen und bergen, das Daneben gibt es aber noch eine andere künstlerische
Dach lastet und schützt. Die Heizung dient nur dem Lösung. Denken wir an eine alte Kirche. Da kam es
Menschen als Wärmequelle, die Fundamente existieren dem Baumeister nicht so sehr darauf an, alle Formen
ausschließlich für die Selbsterhaltung des Hauses. . . . möglichst kunstvoll durchzubilden. Die Kirche war ihm
Diese beiden Zwecksysteme gilt es, nachdem erst eine Stätte der Andacht, der Sammlung, der Gottesver-
jedes einzelne technische Erfordernis für sich berück- ehrung, und er baute seine Kirche so, daß sie dieser
sichtigt ist, noch in Einklang zu bringen. Der Bau ist Stimmung, diesem inneren Wesen am besten ent-
technisch einwandfrei gelöst, wenn alle Zwecke so sprach. Das ganze Haus wurde zur verkörperten Andacht,
erfüllt sind, daß keiner den andern beeinträchtigt. . . . und desto schöner war die Kirche, je mehr sie in allem von

* Andacht, Sammlung, Gottesverehrung erfüllt war. Das
Von Kunst war bei all dem noch nicht die Rede. Biedermeier-Zimmer atmet bürgerliche Behaglichkeit,

Ein Bau kann technisch und rechnerisch einwandfrei ein alter Barock-Schrank ist die Verkörperung ruhiger,

dastehen, und doch ein wüster Formenhaufen sein. Hier bergender Festigkeit. So hat jedes Ding seine deutlich
 
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