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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Pazaurek, Gustav Edmund: Vom kulturellen Fortschritt
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0166

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT-WILMERSDORF

BLICK INS SCHLAFZIMMER IM HAUSE DR. S.

VOM KULTURELLEN FORTSCHRITT

Auf dem alten Doria-Palazzo von Genua wurde schon
» vor Jahrhunderten die stolze Inschrift bewundert:
»Pour gratia de Dios & del Re/En estas casas noa cosa
presta« (Durch Gottes und des Königs Gnade ist nichts
Entlehntes in diesem Hause) . . Wie herrlich wäre es,
wenn es eine günstige Fügung gestatten wollte, einen
gleichen Spruch als Motto über dem modernen heimischen
Kunstgewerbe anzubringen, — daß nichts Zeit- und Land-
fremdes mehr die modernen nationalenTriebe überwuchere!

*

Es sei zwar ohne weiteres zugegeben, daß es in ästhe-
tischen Fragen niemals einen solchen »kategorischen Im-
perativ« geben kann wie in der Ethik. Aber gerade des-
halb, weil es hier ein starres »du sollst« und »du darfst
nicht«, — das das Gebot oder Verbot mit entsprechen-
den Strafmandaten begleiten könnte, — nicht gibt, er-
wächst für die kulturell Höherstehenden die edle mora-
lische Verpflichtung, nicht mit verschränkten Armen
teilnahmslos zuzusehen, wie das Unkraut des Unge-

schmacks, das sich ohne unser Zutun in entsetzlicher
Fruchtbarkeit vermehrt, alle schönen Keime erdrückt, ihnen
Platz, Luft und Licht raubt. Leben ist Kampf; auch auf
ästhetischem Gebiete müssen wir kämpfen; schon der bloße
Stillstand bedeutet den beginnenden Verfall der Kultur.

*

Wo bliebe denn der » Fortschritt«,—wenn man nur an
die schlichtesten Arbeiten aus alten Tagen anknüpfen woll-
te, nicht vielmehr das Bestreben hätte, das heutige Durch-
schnitts-Niveau über das früherer Epochen zu erheben?



Ebenso unrecht wie jene, die die Material-Fragen als
gar nicht künstlerisch aus der Diskussion entfernt sehen
wollen und nur von oben herab behandeln, haben auch
die anderen, für die das Kunstgewerbe bei den Material-
fragen nicht nur anfängt, sondern fast auch schon aufhört.
Auch das herrlichste Material darf uns nicht so weit be-
stechen und blenden, daß wir vielleicht garnicht merken,
daß andere, höhere ästhetische Vorzüge vielleicht — gar-
 
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