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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Lang, Hugo: Das Problem des Wohnraums
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Der Schreibschrank
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0329

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INNEN-DEKüKAIlQn

317

(etwas anderes ist es mit den Wirtschafts-
räumen: Küche, Baderaum usw.) können
wir nicht mehr teilen, darüber sind wir
hinaus!.. Wir haben in den letzten Jahr-
zehnten genugsam die Erfahrung gemacht,
daß weder die »Dämonie« gewaltsam
gespannter Kurven, noch die starre »Prä-
zision« der reinen geometrischen For-
mungen, des Kubus usw. in Wohnraum
und Möbelbau uns volle Erfüllung bietet.
Wohl hat die »stumme Formkraft« der
»Maschinen«-Welt und des »Kristalls«
auch ihr »Geheimnis«, — aber es ist ein
dem Menschen im Grunde fremdes, feind-
liches. In unserem Wohnraum wollen wir
nicht Kälte und Glätte, sondern Wärme,
Leben von Holz, Metall, Stein, beseelte
menschliche Atmosphäre. Die For-
mungen, die ein wohnliches Heim er-
geben, lassen sich weder von utopischen
Schwärmern, noch aus der Theorie auf
dem Reißbrett, noch von dem reinen
Techniker schaffen. Sie sind viel zu eng
verwachsen mit dem Leben, mit der Ge-
sellschaf ts - Kultur, mit seelischen Impon-
derabilien; nur der feinfühlige Einrich-
tungs-Künstler, der: Menschenkenner,
Gestalter, Künstler-Handwerkerund
zugleich seiner Verantwortung sich voll
bewußt ist, — nur er ist befähigt und
berufen, dasWertvolle zu wirken, h.lang.

professor dr. josef frank-wien. kleiner sekretär: geöffnet.

schreibschrank von seite 316 geöffnet

DER SCHREIBSCHRANK

Er ist aristokratischer, — der Schreib-
schrank, wie sein Vetter, der geschäf-
tige Schreibtisch. Distinguirt, diskret und
verschlossen, schlicht, fast ernst, seiner Wür-
de, der edlen Abstammung seiner Holzart,
der sorgfältig-gediegenen Herstellung sehr
bewußt steht er auf zierlichen Füßen im
Zimmer der Dame. Der Schreibtisch ist be-
reit, jedem zu dienen; offen breitet er jedem
die mit Schreibgerät und Geschreibsel be-
ladene Platte hin. Der Schreibschrank hin-
gegen, der »Sekretär«, ist der holden Herrin
allein treu ergeben, die den feinen Schlüssel,
am Kettchen wohlverwahrt, in der Tasche
trägt.. Ihr nur öffnet er sich, ihrem Arm bietet
er die polierte Klappe als Stütze, ihr enthüllen
sich die zierlichen Intarsien, die zahllosen
Schubladen mit feinen Knöpfchen, die köst-
lichen Geheimfächer. Ihr Inhalt ist kostbar:
gewichtige Dinge, Briefchen mit Bändern um-
wunden, Blumen, verwelkt, zarte Bogen, die
der zärtlichen Gedanken warten, wenn Seele
zu Seele in stillen Stunden spricht . . Zu
Großmutters Zeit stand er in Ehren, der
Schreibschrank. Dann ward er vergessen ..
Wenn er heute wieder Liebhaber findet: dür-
fen wir daraus Schlüsse ziehen?.. Findet der
Mensch wieder Zeit für den Menschen? .. a.u.
 
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