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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Lang, Hugo: "Zukost und Würze"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0378

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366

INNEN-DEKORATION

adolf g. schneck—stuttgart

esstisch in der wohnstube. haus a. s.

ZUKOST UND WÜRZE«

Sokrates soll, — so erzählt Cicero in seinen »Gesprä-
chen in Tuskulum«, — oft bis zur späten Abendstunde
anstrengende Fußwanderungen ausgeführt haben. Fragte
man ihn, warum er das tue, so gab er zur Antwort: »Um
besser zur Nacht zu speisen, besorge ich mir zu meinem
Stück Brot mittels des Spazierganges die »Zukost«, —
nämlich den Hunger« . . Und die Spartaner? Als der
Tyrann Dionysius bei ihnen gespeist hatte, sagte er, die
»schwarze Suppe«, die an der Mahlzeit die Hauptsache
war, hätte ihm nicht geschmeckt. Darauf bemerkte ihm
der Spartaner, der sie gekocht hatte: » Das wundert mich
garnicht. Dir fehlen ja alle die Gewürze«. »Welche Ge-
würze denn« ? fragte der andere. »Die Arbeit auf der
Jagd, Mühe und Anstrengung, Wettlauf, — Hunger und
Durst. Mit diesen Dingen nämlich würzen die Lakedai-
monier ihre Mahlzeiten« . . Und noch eine »Würze« der
Mahlzeiten gibt es, — nämlich den Geist. »Als Timo-
theos, einer der ersten Staatsmänner seiner Zeit, einmal
bei dem weisen Piaton gespeist hatte und in der begei-
sterten Stimmung, die diese geistvolle Gesellschaft in
ihm zurückgelassen hatte, den Weisen am nächsten Tag
sah, rief er aus: »Wahrlich, so eine Mahlzeit wie die
Eure bietet einem nicht nur während ihrer Dauer, son-
dern auch noch am folgenden Tage Genuß«. — Damit ist

die Geschichte für den verständigen Leser eigentlich zu
Ende .. »Kürze« ist nämlich immer »des Witzes Würze«;
darum pflegen wir auch, mit der eifrigen Einsicht der
freundlichen Leser rechnend, daß, was zu sagen ist, so
kurz wie möglich zu sagen, — es ihm überlassend: selbst-
denkend sich den »weiteren Vers« dazu zu machen . .
Da indessen nun einmal das Interesse gefesselt, und auch
auf dieser Seite zu weiteren Erwägungen angenehmer-
weise noch Raum vorhanden ist, so läßt sich dieser Ge-
schichte auch noch ausnahmsweise das übliche »Moral-
Schwänzchen« anhängen und zunächst anmerken, daß
solcherlei Erzählungen immer dazu dienlich sein sollen,
ein Weniges nachzudenken und Beziehungen zu un-
serer Zeit, zu uns selbst zu finden . . So ließe sich etwa
anschließend bemerken, daß — in ähnlicher Weise —
auch für uns: Hunger, harte Arbeit, Hunger nach geisti-
gem und seelischem Erlebnis erwünschte und nützliche
Anreger geworden sind — oder werden, die unser Leben
»würzen« und lebenswerter machen als zuvor; — daß
wir also, — denn von weisen und wetterharten Männern
ist hier die Rede —, mit dem Geschick, das sich an-
schickt, uns in eine recht harte Schule zu schicken, keines-
wegs zu hadern brauchen, sondern mit Goethe sagen
sollen: »Wie es auch sei, das Leben, es ist gut« . . h. l.
 
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