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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 33.1922

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Das Wesen der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.10456#0387

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INNEN-DEKORATION

375

ADOLF G. SCHNECK—STUTTGART

DAMEN-SCHLAFZIMMER: EINZEL-MÖBEL

DAS WESEN DER RENAISSANCE

»JEDE ZEIT HAT GUTE UND SCHLECHTE SEITEN«

Viele Menschen gibt es, die ihr Zeitalter ganz uner-
träglich finden, die bestehende Welt als die denkbar
schlechteste ansehen — und sich nicht genug tun können
in Lobes-Erhebungen vergangener Zeiten und ihrer Vor-
züge . . So gibt es auch viele, denen die Zeit und die
Formenwelt der R e n a i s s a n c e - Epoche als ein hohes und
der Nacheiferung wertes Ideal vorschwebt. Andere hin-
wieder, genaue Kenner dieser Zeit, sind anderer Meinung.
Eine solche Stimme lassen wir hier zu Worte kommen.

»Es ist bei uns, wie anderwärts«; schreibt Ludwig
Schemann, der Ubersetzer der »Renaissance-Szenen«
(Savonarola, Cesare Borgia, Julius IL, Leo X., Michel-
angelo), des Dichters und Richters der Renaissance, des
Grafen Gobineau, — »ich will nicht sagen die herr-
schende, aber jedenfalls eine stark verbreitete Anschauung,
daß die »Renaissance-Periode« einen der großen
»Lichtpunkte« der Geschichte bedeute, welche die Mehr-
zahl der übrigen Jahrhunderte, Länder und Völker in
tiefen Schatten neben sich zurücktreten lassen. . . Jene
Begeisterung für die Renaissance-Periode als Garzes be-
deutet vor allem ein Zujubeln der dem Mittelalter mit all
seinen Barbarismen enttauchenden »neuen Welt« . . Wir
atmen noch nach Jahrhunderten auf mit den befreiten
Geistern. . . Das ist die eine Seite; — es ist einer der
größten Triumphe, die das menschliche Genie auf den
Gebieten seiner Betätigung errungen hat.« »Ein anderes

aber ist es um das Gesamt-Leben jener Epoche, welches
sich dem geistigen und ästhetischen Blicke so überpräch-
tig darstellt. . Kaum je mag die Kluft zwischen Schein
und Sein jäher geklafft, mögen Geist und Herz einander
trostloser gemieden haben! Die Kultur der schönheits-
lüsternen, blutdürstigen, geisttrunkenen, gottvergessenen
Renaissance, — die das Mittelalter mit seinen Greueln weit
hinter sich ließ, — sie mußte den Tod der echten, heiligen
Kunst in ihrem Innersten bergen .. Seelenlos durch und
durch ist die Renaissance-Zeit mit all ihrem glorreichen
Schimmer gewesen.. Die Kunst war damals ein »Kostüm«.
Und damit ist alles gesagt.. Wohnungen, Straßen, Plätze,
öffentliches und Familien-Leben, Leiber und Geister,
Hoch und Niedrig: — alles kleidet sich in dieses eine, in
unzähligen Abstufungen wiederkehrende, höfisch feine,
kunstreiche »Renaissance-Kostüm« . . Alles atmet den-
selben Geist: innerlich faul, brüchig, elend, utilitaristisch
eingestellt, — äußerlich um so stattlicher ästhetisch aus-
drapiert . . Jegliches Geisteswerk dient zur »Staffage«
auf diesem Bilde eines in natürlichste Formen gekleideten
Afterlebens, ■— in einer Reihe mit den Erzeugnissen des
Kunsthandwerkes . . Künstler, Dichter, Gelehrte wurden
an den Höfen »gehalten« — etwa wie die Fürsten zu
andern Zeiten Hofnarren und die Frauen Schoßhunde
hielten . . Auch waren solche Zelebritäten vor allem ein
Hauptartikel, mit dem man sich gegenseitig im Renommee
 
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