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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 34.1923

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Laozi: Weisheit des Ostens: aus dem "Tao-Te-King" des Laotse
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https://doi.org/10.11588/diglit.10459#0290

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INNEN-DEKORATION

269

WEISHEIT DES OSTENS

aus dem »tao-te-king« des laotse

Dreißig Speichen treffen die Nabe. Aber das Leere
zwischen ihnen erwirkt das Wesen des Rades. Aus
Ton entstehen Töpfe. Aber das Leere in ihnen wirkt das
Wesen des Topfes. Mauern mit Fenstern und Türen
bilden das Haus. Aber das Leere in ihnen erwirkt das
Wesen des Hauses. Grundsätzlich: das Stoffliche bringt
Nutzbarkeit. Das Unstoffliche aber wirkt Wesenheit..
Alle Welt weiß: Schwaches zwingt Starkes, Weiches
zwingt Starres. Doch niemand handelt danach . . Weich
und zart, so wird der Mensch; hart und stark stirbt er.
Schwank und zart, so keimt der Baum; starr und stark
stirbt er. Also: Starr und stark sind Weisen des Todes;
Weich und wank sind Weisen des Lebens. Ebenso:
Groß und stark ist niedrig, zart und weich ist hoch . .
Klein bedingt Groß, Schwach bedingt Stark. Niedergang
bedingt Aufgang. Leere bedingt Fülle. Hart ist ein
Grad von Weich. Stark ist ein Grad von Schwach. Hier
liegt der Grundsatz des Denkens vom Jenseits. Doch wie
der Fisch nicht lebt außer der Meerestiefe: so erstrebe
niemals der Mensch das »Wissen« vom Wesen des Men-
schen . . Solches Wissen zerstört die Lebenskraft. Der
Vollendete lebt nicht dem Zweck, lenkt ohne Wort,
handelt ohne Antrieb, schafft ohne Gegenstand, erdenkt
ohne Ziel, ist wirksam, ohne geschäftig zu sein. Grund-
sätzlich: das Ungewußte ist quellende Kraft.
Der Vollendete wünscht Wunschlosigkeit, lernt Ver-
lernen, ist Ordner, beobachtet Nicht-Wollen, stört
nicht die Entwicklung aus sich . . Die lebende
Kraft des Werdens ist ewig und unvergänglich. Sie ist
die unfaßbare Mutter. Die unfaßbare Mutter ist Wurzel

des All. Stetig webend bedarf sie nicht des Antriebs.
Die rechte Bahn ist diese: Sieg ohne Kampf, Gehorsam
ohne Befehl. Fortschreiten ohne Vorschreiten, Erwerben
ohne Erobern, Haben ohne Nehmen . . Der Vollendete
erfüllt sein Teil, hofft nicht auf andere. Wer im rechten
Weg ist, untersteht seinem Müssen. Wer außerm
rechten Weg ist, untersteht seinem »Wollen« . . Das
Übermaß an Einwirkung ist Quelle der Kampflust, die
Überschätzung des Seltenen ist Quelle der Sündlust, der
Überstolz aus Aufwand ist Quelle der Neidlust. Darum:
Der Vollendete waltet frei von Vorliebe, fern von Vor-
urteil, selten sinn-schwankend, unüberwindbar von Art.
Gut zu Guten, gut auch zu Nichtguten, das ist Güte.
Ehrlich zu Ehrlichen, ehrlich auch zu Nichtehrlichen, das
ist Ehrlichkeit. Redlichkeit zeugt Friede. Geschicklich-
keit zeugt nur Kampf. Gewalt ist nicht Werkzeug des
Guten, sondern des Schlechten. Kraft ist nicht Ge-
walt. Gewalt ist nicht Werkzeug des Weisen. Sieg durch
Gewalt ist Leiden . . Der Gute »ist« — und braucht
nicht Gewalt, ist — und brüstet sich nicht mit Glanz . .

*

Stark sich fühlen, sanft sich zeigen; hell sich fühlen,
in Dunkel sich hüllen; groß sich fühlen, klein sich zeigen:
wer es besitzt, irrt nie vom rechten Weg . . Andere lenken
ist Können; selbst sich lenken ist Macht. Beginnen
können ist Stärke; Vollenden können ist Kraft. Förderer
der Entwicklung sein. Schaffen und nicht besitzen, Wirken
und nicht gewinnen, Überwachsen und nicht Überwältigen:
das ist die Bahn, laotse. ca. 600 v. chr. (rRE( zusammbngkstbllt aus

der Übertragung des »tao-tb-king« von albxandbr ular, insbl-verlag).
 
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