Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

DOI Artikel:
Von der vollkommenen Haltung: ein Gleichnis uns seine Anwendung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXXV. JAHRGANG.

DARMSTADT.

FEBRUAR 1924.

VON DER VOLLKOMMENEN HALTUNG

ein gleichnis und seine anwendung

Tschuang-Tse erzählt: »Khi-Hsing-Tse richtete
für den Fürsten einen Kampfhahn ab. Nach
zehn Tagen fragte der Fürst, ob der Vogel bereit
sei. . »Noch nicht«, anwortete Tschi; »er ist noch
voll Streitsucht und Übermut.« . . Nach weiteren
zehn Tagen fragte der Fürst wieder. »Noch nicht«,
antwortete Tschi; »noch erregt ihn Stimme und
Anblick anderer Hähne.« . . Nach weiteren zehn
Tagen fragte der Fürst wieder. »Noch nicht«, ant-
wortete Tschi; »noch zittert ihm der Zorn in Leib
und Augen.« Als aber noch zehn Tage vergan-
gen waren, und der Fürst wieder fragte, antwor-
tete ihm Tschi: »Jetzt taugt er. Andere Hähne
mögen vor ihm krähen, soviel sie wollen, er wird
es nicht beachten. Wenn du ihn ansiehst, möchtest
du sagen, er sei aus Erz. Seine Tugend ist voll-
kommen. Fremde Hähne werden nicht wagen, sich
mit ihm zu messen, — sie werden davonlaufen«. .
Kann man kürzer, erschöpfender, anschaulicher
und in besserer Form den Begriff der Haltung
dartun, als Tschuang-Tse dies in dem vorliegen-
den Gleichnis tut? . Und wie lautet etwa die An-
wendung auf unser Gebiet der bildnerischen
Form und der kunsthandwerklichen Gestaltung? .
Fragen wir, ob wir in unserem Kunsthandwerk

bereit und befähigt sind, im Wettbewerb zu be-
stehen? »Noch nicht«, antwortet da eine Stimme.
»Noch ist da viel Unruhe und Ubermut.« Und auf
die wiederholte Frage, »Noch nicht«, antwortet
wieder die Stimme, »noch erregt uns das, was an-
dere schaffen und geschaffen haben«. Und weiter
nach einer Weile. »Noch nicht«, sagt die Stimme,
»noch schwankt die innere Einstellung hin und
her wie ein leichtes Rohr im Wind.« Und end-
lich: Wann wird die Frage beantwortet werden
können: »Jetzt taugt es. Andere mögen tun und
reden, soviel sie nur wollen, wir werden es nicht
beachten, — wir sind unserer Leistung gewiß. In
unserem Werk ist Kraft, ist Sicherheit und An-
mut. Seine Haltung ist vollkommen. Die anderen
können nicht mehr wagen, sich mit ihm zu mes-
sen«? . . Erscheint diese Anwendung des Gleich-
nisses utopisch und vermessen? Aber gab es nicht
zu allen Zeiten »Führer«, die es allen anderen zu-
vor taten, auf allen Gebieten, so auch im Kunst-
handwerk? Fassen wir es also als die Darstel-
lung einer »Möglichkeit« auf, eines Zieles, das er-
reichbar ist durch den festen Entschluß und die ge-
sammelte Kraft, — sofern als Grundlage die Fähig-
keiten vorhanden sind. Und diese sind da . . h. l.

192«. ii 1,
 
Annotationen