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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Friedländer, Max J.: Von der lebendigen Gestalt: es gibt dem Dasein Sinn und Ziel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0262

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119

VON DER LEBENDIGEN GESTALT

sie gibt dem dasein sinn und ziel

Es leben unter uns Menschen mit leuchtenden Augen,
die von Glück erzählen«, — schreibt Prof. Walter F.
Otto; »Es ist eine Lust zu leben!«, liest man in den Blicken
junger Menschen, die mit harter Arbeit um die nackte
Existenz ringen müssen, und doch die Lust und den Mut
des Geistes nicht verloren haben. »Wie viel ist uns ge-
nommen!« ruft man ihnen von allen Seiten zu. Unbe-
rechenbar ist, was wir gewinnen können!« sagen sie,

»Wege sind offen. Fahrwinde wehen.«......

Und wirklich, wer sich aus dem Gedränge des Augen-
blicks erheben kann, genießt einen weiten Blick. Mag
auch sonst die Aussicht von Gewitterwolken verhangen
sein, in der Höhensphäre ist sie offen. Wir brauchen
uns nur ein wenig zu besinnen, um zu bemerken, daß
der Geist eine neue Flugbahn eingeschlagen hat. Was
lange gegolten hat, ist veraltet und hinfällig geworden.
Eine neue Jugend des Geistes hat begonnen. Sicherlich
ist die Erneuerung nicht die Folge der Katastrophe des
Weltkrieges. Der Dämon hat schon viel früher an uns
gerüttelt. Aber die Not macht härter und freier. Wer
weiß, ob sie nicht ein Zeichen unserer Begnadung ist.
Begnadet sein, heißt vom Genius des Lebens berührt
werden. Und er ist es, den wir wieder vernehmen. Mag
es um uns herum noch wüst und hoffnungslos aussehen,
das Leben, das uns erfaßt hat, wird uns schon
zur rechten Zeit unsere Stätte des Wirkens anweisen.

1924. iv. 8

Eine Gottheit, die lange fremd gewesen, hat wieder
ihr Gesicht uns zugekehrt, daß wir in seinen Zügen die
Welt erkennen. Wir hören auf, sie mit ungöttlichen
Augen zu betrachten. Die verbreitete Meinung, daß
alles Geschehen und Werden nur ein Kampf blinder
Kräfte sei, hat ihre Kraft verloren. Unser Sinn wehrt
sich gegen den lang bewunderten Gedanken, das Ge-
staltete aus seinen Bruchstücken aufzubauen, seine Ein-
heit durch die Summierung der Teile zu erklären. Die
mechanische Betrachtungsweise triumphiert nicht mehr.
Natur und Leben reden wieder in großen Rätseln und
Bildern zu uns. Das ewige Rätsel, vor dem die Begriffe
verstummen, — unser Blut und Herz antwortet ihml . .

*

Vor unsere Erkenntnis aber steigt aus dem Geheimnis
der Fülle die lebendige Gestalt. Allgegenwärtig und
immer einmalig, gibt sie dem Dasein Gepräge, Sinn und
Ziel. Wir finden sie in der Struktur unseres Denkens,
in der Bildung unserer Persönlichkeit. Und weit über die
Einzelexistenz hinaus ahnen wir ihren ewigen Sieg in der
Geschichte des Wachsens von Völkern und Kulturen«, o.



Das Auge bringt hervor, was der Glaube erschaffen
hat. Was der Gläubige zu schauen begehrt, danach
durchspürt sein Auge Himmel und Erde und bildet aus
jedem Anzeichen das Wunschbild aus. . . Friedländer.
 
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