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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Sprechsaal für die Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0341

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SPRECHSAAL FÜR DIE LESER

aus der praxis

TEPPICHE, GARDINEN UND KLEINMÖBEL.
Ihren Aufruf »An unsere Leser« habe ich gelesen,
und da Sie menschenfreundlich genug waren, keine stili-
stische Durcharbeitung zu verlangen, erlaube ich mir,
hier vorzutragen, was ich besonders zur Beantwortung
Ihrer Frage II zu sagen habe. Ich muß offen sprechen,
denn nur bei uneingeschränkter Redefreiheit können wir
die Sache fördern . . Ich glaube zunächst eine allgemeine
Feststellung machen zu müssen: Ohne Zweifel ist in
den letzten 15 Jahren das deutsche Kunstgewerbe mächtig
vorangeschritten. Ihre eigenen Zeitschriften mit ihrem
reichen Abbildungs-Material sind der beste Beweis dafür.
In Beleuchtungskörpern, in Tapeten, Möbeln, Keramik,
Gläsern, Stoffen, in Buchgewerbe wird heute, soviel ich
sehen konnte, Vortreffliches geleistet. Es gibt freilich
noch Geringes genug, aber es hat nicht die Oberhand,
die gute Qualität ist fast überall greifbar. Das ist ein
schönes, höchst begrüßenswertes Ergebnis. Aber einige
Zweige des Kunstgewerbes gibt es leider immer noch,
die diesen Aufstieg nicht so wie die andern mitgemacht
haben. Ich denke da z. B. an den deutschen Teppich.
Mehrfach im Leben war ich auf der Suche nach guten
Teppichen. Aber ich mußte die Erfahrung machen, daß
da die Wahl auch eine Qual war. Zwar fand ich in
Privathäusern von E. R. Weiß, von Bruno Paul entwor-
fene, schöne Teppiche, die aber eigens für diese Zwecke
komponiert und gewebt waren. Sie kamen also als käuf-
liche Marktware nicht in Betracht, daher geriet ich
stets in die größte Verlegenheit. Die anderen Teppiche
waren zu schwer, zu wuchtig, zu speziell, zu wenig für
eine Vielheit von Zwecken geeignet, — das etwa war
das Ergebnis der Durchmusterung. Und man muß sich
wundern, daß die deutschen Fabrikanten gerade auf
diesem Gebiet so zögernd, bezw. den neuzeitlichen
Innenräumen gegenüber sich so wenig orientiert verhalten.



Statt langer Klagen will ich lieber aussprechen, in
welcher Weise meiner Meinung nach das Problem eines
guten, vielen verschiedenen Anforderungen entsprechen-
den Teppichs gelöst werden könnte. Es müßte der Ehr-
geiz jeder großen Teppichfirma sein, eine Teppich-
borte, etwa in der Breite von 40 bis 50 cm, zu führen,
in deren modern gehaltenem Muster sich (man denke an
das Beispiel des Perserteppichs) alle Grundfarben in
lebendigem Spiel begegnen. Diese Borte müßte, ähnlich
wie dies beim orientalischen Teppich fast immer der Fall
ist, die Tugend haben, zu jeder Raum- oder Möbelfarbe
in irgend ein harmonisches Verhältnis zu treten. Man
würde dann nur für das eigentliche Mittelfeld des Teppichs
einen Uni-Velour zu wählen haben, der in der Farbe
dem Raum entspricht und der mit jener Borte einzufassen
wäre. So wäre eine brauchbare, ruhige Fußboden-Be-
kleidung gewonnen, die für die verschiedenen Zwecke
in Betracht käme . . Auch bei bloßen Vorlagen könnte
in ähnlicher Weise verfahren werden. Man müßte viel-
leicht ins Auge fassen, daß für die Borte manchmal ein
hellerer, manchmal ein dunklerer Ton erwünscht ist, und
demgemäß dieselbe Borte in zwei verschiedenen Aus-
führungen herstellen . . Wem eine solche Lösung zu
»technisch«, zu typenmäßig scheint, der möge bedenken,

für die praxis

daß überall da, wo ein breiter Mittelbedarf zu befrie-
digen ist, diese Art vorsichtiger Typisierung sich ein-
stellen muß. Das sehen wir an England, das sehen
wir an Amerika. Für besondere Bedürfnisse, für sorg-
fältig »komponierte« Räume bliebe das freie Walten
der Künstler-Phantasie nach wie vor unangetastet ....

Vielleicht käme eine ähnliche Lösung auch für die
Gardinenbranche in Frage. Jedenfalls würde auch
hier eine bis aufs letzte verfeinerte »Borte« mit einem
Mittelfeld aus Tüll usw. die Ersparnis einer zeitraubenden
und oft unerfreulichen Wahl bedeuten. Ich würde mich
freuen, wenn die Fabrikanten unter Ihren Lesern diesen
Gedanken einmal ernstlich in Erwägung ziehen wollten.

*

Gestatten Sie mir, obschon ich bis jetzt schon ziem-
lich in die Breite gegangen bin, meinen Wunschzettel
noch etwas zu verlängern. Ich denke an die Gehäuse
der Stand- und Wanduhren. Auch sie sind für den
Wählenden ein schmerzlicher Fall. Auch sie müssen,
wie der Teppich, die Tugend haben, sich einem vorhan-
denen Ensemble leicht einzufügen. Aber wie selten
sind die Modelle, die diese Tugend haben! Ich denke
weiterhin an das Einzelmöbel überhaupt, besonders an
Stühle und Sessel. Bei allen diesen Dingen handelt
es sich m. E. darum, daß die Industrie das Problem der
einfachen, sachlichen, aber bis ins letzte durch-
gearbeiteten und durchgeprüften Ausformung
dieser Gegenstände einmal ganz energisch und zielbe-
wußt in Angriff nimmt. Bei uns neigt man bei solchen
Dingen zu sehr zur Ornament-Uberladung, zur formlichen
Spezialisierung; die Aufgabe geht aber vielmehr in der
Richtung einer Höchstqualität, die sich durch Brauch-
barkeit innerhalb der verschiedenen Zusammenhänge be-
währt. Wie selten z. B. findet man einen praktischen, nie-
drigen Teetisch in Höhe von 50 bis 60 cm, wie er in gast-
lichen Häusern heutzutage gang und gäbe ist, wo aber ein
solcher Tisch immer erst in Einzelanfertigung nach be-
sonderem Entwurf in Auftrag gegeben werden mußte.

Man soll nicht sagen, das seien schließlich bloß Kleinig-
keiten. In der Empfindung für das Einzelne zeigt sich
erst der wahre Geschmack. Wenn das »Tüpfelchen auf
dem i« nicht stimmt, dann ist die ganze Harmonie ge-
stört. Das Publikum muß gerade auf diese Dinge achten,
sie müssen nicht schlecht gemacht werden, sie können
auch richtig und gut gemacht werdenI Nur wenn das
Publikum auf der Durchsetzung seiner berechtigten ge-
schmacklichen Anforderungen besteht und sich nichts
»aufmarkten« läßt, wirkt es erzieherisch auf den Händler
und dieser auf den Fabrikanten.« . . Frau prof. p. in st.



FÜR DEN SPRECHSAAL. Beim Anblick der vor-
züglichen Abbildungen schöner, neu eingerichteter
Innenräume in der »Innen-Dekoration« regt sich zuweilen
der Wunsch, Abbildungen dieser Wohnräume nach
Verlauf einiger Jahre zu sehen und zu beobachten,
ob und wie weit der Besitzer oder die Besitzerin den
Raum aus praktischen oder aus eigenen geschmacklichen
Rücksichten »umstellt« hat, um ihm erst dann seinen
dauernden Charakter zu geben. Ein Vergleich zwischen
diesen beiden Zuständen könnte lehrreich und fördernd

1934. v. 4.
 
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