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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Lang, Fritz: Sammler-Wohnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0576

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INNEN-DEKORATION

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WOHNUNG FRITZ LANG-BERLIN-GRUNEWALD HERREN-ZIMMER MIT BLICK INS TEE-ZIMMER

Einrichtung die übliche Massenware zu beziehen. Will war er einigermaßen kraus und die bekannte Welt so
man aber als Mensch von heute irgend etwas Abson- ziemlich umspannend. Meine ersten Lieblinge waren die
derliches, das einigermaßen von der allgemeinen Mode kleinen, phantasievollen »Netsukes« der Japaner, die
abweicht, so muß man sich — glücklicherweise — wieder heute zum Teil im Zimmer meiner Frau im »Schrank der
an das Handwerk wenden, das in Deutschland noch Tausend Freuden« stehen, während die Masken-Netsukes
immer, wenn auch leider ziemlich verborgen, sein Dasein ihren Platz für sich auf dem Tisch im Wohnzimmer haben,
fristet, und das, wenn man ihm nur Gelegenheit dazu kollegial geeint mit den No-Masken an der Wand. Von
gibt, noch genau so sauber, sorgfältig und treu arbeitet der japanischen Tanzmaske zur afrikanischen und Südsee-
wie zu Zeiten Peter Vischers. Ein Beispiel dafür ist im Tanzmaske war nur ein Schritt: aber im Augenblick, als
Zimmer meiner Frau der niedrige Tisch, dessen Um- ich mich um der Masken willen mit diesen Welten zu
rahmung von einem ganz einfachen Tischlermeister nach beschäftigen begann, erschloß sich mir gleichsam ein
den Motiven des darüberhängenden chinesischen Teppichs neuer Planet der Mystik, ein Atlantis der Kunst, — eine
gearbeitet wurde. Auf die gleiche Weise und von dem- zur Kunst gesteigerte Religion der Furcht vor dem Un-
selben Manne wurde ich von dem deprimierenden Anblicke bekannten. Harmlose Besucher, die zum ersten Male
der Zentralheizungskörper befreit. Ich wage nicht zu unsere Wohnung betreten, sehen sich oft zu ihrem nicht
entscheiden, ob der deutsche Handwerker von heute über geringen Schreck versteinten, aber grausig echten Men-
dieselbe schöpferische Erfindungsgabe verfügt wie die schenschädeln gegenüber, in deren Augen das Restchen
Nürnberger Meister des 16. Jahrhunderts. Aber abge- eines Perlmuttsplitters als nie geweinte Träne der Ge-
sehen davon, daß ich fest überzeugt bin, daß die Meister opferten funkelt. Aber, wenn es mir gelingt, ihnen die
von damals ebensolche Ausnahme-Erscheinungen unter Geschichten dieser grotesk und kunstvoll bemalten
den Ihren waren wie die technischen Meister unserer Menschenköpfe näher zu bringen, so verlieren sie das
Tage, so glaube ich, daß auch hier die richtige Erziehung Grauen und sie nähern sich jenem verwandten und
begabter Menschen wesentlich mehr Talent und Intuition doch ganz anders gearteten Zustand, von dem Goethe
entdecken würde als man im allgemeinen annimmt. Spe- sagt: »Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil.«
ziell bei meinem Berufe als Filmregisseur habe ich unter Schauder nicht vor dem abgeschlagenen Menschenkopf,
meinen Arbeitern erstaunliche Begabungen gefunden . . sondern vor der mystischen Religion von Völkern, die
Was meinen eigenen Weg als Sammler betrifft, so nichts als Furcht, ganz Unerlöstheit ist und eben darum
 
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