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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Schmitz, Oscar A. H.: Einwandfreie Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0803

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354 INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT HANS HLOUCAL IN WIEN STUCKDECKE. BILDHAUER JOSEF HEU-WIEN

»EINWANDFREIE KUNST«

Wer ein Kunstwerk »einwandfrei« nennt, gibt ein
Leumunds-Zeugnis ab. Ein solches erklärt be-
kanntlich, daß der Behörde über eine Person nichts nach-
teiliges bekannt geworden ist, etwas Positives über ihr
Wesen wird nicht ausgesagt. Ein in ihren Wertgefühlen
schwankend gewordene Übergangszeit wie die unsere
begnügt sich Menschen wie Werken gegenüber mit
solchen rein negativen Befunden. Ein Werk, das richtig,
d. h. einwandfrei konstruiert ist, gilt als Kunstwerk. Da-
her der irrtümliche Glaube, daß der Ausdruck der Zweck-
mäßigkeit allein genüge, um ästhetische Wirkungen her-
vorzubringen, — während nur die Umkehrung dieses
Satzes wahr ist, daß handgreifliche Unzweckmäßigkeit
die ästhetische Wirkung stören kann, da nämlich, wo es
sich wie bei Gegenständen des Gebrauchs um offensicht-
liche Zwecke handelt . . Das Wort einwandfrei« hat
seine Berechtigung im Technischen Einwandfrei sind die
Gesetze der Mathematik und alles das, was auf ihnen be-
ruht, in erster Linie die Mechanik. Das Leben und somit
auch die Kunst ist weder einwandfrei, noch nicht ein-
wandfrei, so wenig wie das Wetter rund oder viereckig

ist, vielmehr sind diese Kategorien hier nicht anwendbar.
Die Gesetze der Einwandfreiheit entstammen dem logi-
schen Verstand und ihre Befolgung läßt sich von jemand
feststellen, dem jedes Kunstgefühl abgeht. . .

Aus der richtigen Erkenntnis des Talmi-Geistes der
siebziger Jahre heraus verlangte man die unbedingte Ver-
wendung einwandfrei echten Materials und vergaß, daß
die Alhambra aus Stuck besteht, der Berliner Dom aber
aus Stein, und daß die edlen Schinkelschen Wohnhäuser
in und um Berlin ihren ganzen Reiz verlieren würden,
wollte man den Bewurf von den Backsteinmauern ent-
fernen, und daß die materialechten Wohnhäuser des
späteren reicheren Deutschlands an künstlerischem Wert
jene Bauten kaum erreicht, jedenfalls nie übertroffen
haben. Damit soll nichts gegen den Wunsch nach ein-
wandfreiem Material gesagt sein Nur sollte diese, wenn
auch verfeinerte materielle Lust nicht länger mit der
künstlerischen selbst verwechselt werden. . .

Ähnliches gilt von modernen Nutzbauten. Die, welche
eine einwandfrei konstruierte Eisenbrücke schön nennen,
weil sie restlos ihre Zweckmäßigkeit ausdrückt, sind
ebenso im Irrtum wie die, welche sie häßlich oder un-
ästhetisch nennen. Diese Kategorien passen gar nicht
 
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