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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Das vernünftige Möbel: Bemerkungen eines Lesers
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0878

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378

INNEN-DEKORATION

I

»MÜNCHENER RAUMKUNST«, HUGO INDEN SCHLAFZIMMER MIT BREITEM BETT. SCHLEIFLACK

DAS VERNÜNFTIGE MÖBEL

BEMERKUNGEN EINES LESERS

ch schwärme für das vernünftige Möbel. Ich bin ein Ich finde es schlechtweg bezaubernd, wenn ein Möbel
arbeitsamer, jedenfalls ein arbeitsfreudiger Mensch, hilfreich, zweckmäßig und verständig ist. Wenn ich offen
Aber daneben ist etwas Künstlertum in mir. Fürchten sein darf, so muß ich sagen, daß meine Freunde mich
Sie bitte nicht, daß ich das als ein Gedicht in Prosa über manchmal pedantisch finden. Aber ich kann nichts dafür:
Sie hinströmen will. Ich erfahre dieses Künstlerische in ich bin kein trockener, sondern ein gefühlvoller Pedant,
mir nur in einer sehr bescheidenen, für andere völlig ich liebe die Ordnung, ich schwärme für die Vernunft,
unschädlichen Weise. Ich merke nämlich, daß ich mich und ich kann Sie versichern, daß meine Möbel es bei mir
manchmal über wichtige oder unwichtige Dinge ganz ebenso gut haben wie ein Mops bei einer Hundefreundin,
grundlos und unvernünftig freuen kann. Und merkwür- Das schlichte, ganz auf Zweck gestellte, in reife,
digerweise freue ich mich in dieser unvernünftigen Weise farbige Form gebrachte Möbel erscheint den phantasie-
am meisten über gutwillige, vernünftige, menschenfreund- vollen Gemütern, wie man mir sagt, nüchtern und kalt,
liehe Dinge und Äußerungen. Sehe ich z. B. ein klares, Ich muß Ihnen gestehen, daß ich derartige Urteile nur
gutgebautes, bescheidenes, tüchtiges Stück Möbel vor sehr ungern höre. Man braucht doch nur einmal auf
mir, so habe ich nicht nur das Gefühl einer gewissen einen solchen Stuhl oder an einen solchen Tisch hinzu-
intellektuellen Befriedigung, sondern das Herz wird mir sitzen, da merkt man doch in der Hilfe, in der beschei-
warm, ich erhelle mich inwendig, ich habe eine Lust denen Dienstfertigkeit, die ein solches Stück einem dar-
daran wie an einer schönen, gesunden Frauenstimme, bringt, daß man von ihm geliebt, mindestens doch
Ich kann Lachen aus einer geheimen, tiefen Glücks- unterstützt wird. Wie soll denn ein Möbel den Menschen
empfindung, wenn ich sehe, daß ein Mensch das Ordent- anders lieben als durch vollendete Brauchbarkeit? Ich
liehe will und das Einfach-Vernünftige tut. Und vielleicht finde auch Frauen rührend, die ihre Liebe durch eine
darf ich da eine kleine Schwäche gestehen, die mir seit stille, feine Mithilfe beweisen, und es ist mir direkt er-
meinen Jugendjahren anhaftet. Ich habe nämlich schon greifend, wenn Liebe, dieses schwärmendste, blumigste
damals herausgebracht, daß es eigentlich richtig, ordent- Gefühl, auftritt in der rauhen, gewöhnlichen Maske eines
lieh, anständig, vernünftig nur im Märchen hergeht, sorgfältig gestopften Strumpfes. (Sie dürfen ruhig lachen,
Denn da wird die Güte immer belohnt und wird König ich bin es schon lange gewohnt, bei derartigen Behaup-
oder Königin, aber der Bösewicht wird gebraten oder in tungen ausgelacht zu werden 1) Worauf ich hinaus will,
einem Faß voll Nägeln den Berg hinuntergerollt. Das ist ja nur das Eine, daß ich alles Verständige nicht nur
Gefühl einer gewissen »Rührung« habe ich immer da, schätze, sondern liebe, und die Vernunft und der Ent-
wo etwas Richtiges, Ordentliches, Fügsames und Gut- Schluß, der Vernunft zu folgen, scheinen mir die großen,
herziges vor mich tritt. Und sogar unbelebte Dinge, wenn treuen Rettungsanker zu sein, an denen der Mensch sich
sie menschenfreundlich, klar und vernünftig sind, kann immer wieder im Aufruhr der vielen farbigen und gefähr-
ich manchmal streicheln und loben wie ein treues Tier, liehen Leidenschaften und Schwärmereien festhalten kann.
 
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