Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0887
DOI Artikel:
Schmitz, Oscar A. H.: Einwandfreie Kunst, [2]
DOI Artikel:Keyserling, Hermann: Fortschritt
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INNEN-DEKO RATION
387
ARCHITEKT CARL MÜLLER—KÖLN KREDENZ. AUSF: C. ECHTERBECKER
anderes, als die Antike, und die moderne Empire-Villa
mit elektrischem Licht und Zentral-Heizung ist wieder
etwas anderes; sie wirkt jedenfalls schöner, angenehmer
als der Versuch, eine neue Säulenform ausschließlich
durch bewußte »Umgehung« antiker Formen zu schaffen.
Wir haben uns solange selbst den Mangel an Form
vorgeworfen, bis wir in eine Gefahr gerieten: aus
dem uns selbst auferlegten, bewußten »Formwillen«
stammt das Suchen in der Richtung eines strengen, ab-
strakten, natürlich in seiner Art auch wieder »einwand-
freien« Stils. In der Meinung, damit etwas Neues ge-
funden zu haben, vergißt man, daß man nichts anderes
tut, als die Freiheit des Lebendigen den Forderungen
einer Art Mathematik zu unterwerfen. Nur in ihrem
Bereich gilt das Kriterium der »Einwandfreiheit«, o.sch.
FORTSCHRITT. Von einer Harmonie zu einer höhe-
ren führt nur die Dissonanz. Aller Fortschritt
beruht, psychologisch betrachtet, auf »Uberkompensa-
tion« irgend einer Seite des Geistes- und Seelenlebens,
weil der Begriff eines »Fortschritts« anders als einsinnig
und folglich einseitig garnicht zu fassen ist; dank ihr
allein entsteht auch die erforderliche Bewegtheit. . .
Bei der Vervollkommnung gilt es niemals, Aus-
geglichenheit durch bloße Reduktion der Fehler zu er-
reichen , sondern vielmehr einen höheren, weitere Ge-
biete umfassenden Spannungsgrad. Eine gegebene Über-
kompensation darf niemals rückgängig gemacht werden,
sie muß durch entsprechende Ausbildung der unent-
wickelt verbliebenen Teile in eine Harmonie höherer
Ordnung übergeleitet werden, graf Hermann Keyserling.
1»24. xii. 8.
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ARCHITEKT CARL MÜLLER—KÖLN KREDENZ. AUSF: C. ECHTERBECKER
anderes, als die Antike, und die moderne Empire-Villa
mit elektrischem Licht und Zentral-Heizung ist wieder
etwas anderes; sie wirkt jedenfalls schöner, angenehmer
als der Versuch, eine neue Säulenform ausschließlich
durch bewußte »Umgehung« antiker Formen zu schaffen.
Wir haben uns solange selbst den Mangel an Form
vorgeworfen, bis wir in eine Gefahr gerieten: aus
dem uns selbst auferlegten, bewußten »Formwillen«
stammt das Suchen in der Richtung eines strengen, ab-
strakten, natürlich in seiner Art auch wieder »einwand-
freien« Stils. In der Meinung, damit etwas Neues ge-
funden zu haben, vergißt man, daß man nichts anderes
tut, als die Freiheit des Lebendigen den Forderungen
einer Art Mathematik zu unterwerfen. Nur in ihrem
Bereich gilt das Kriterium der »Einwandfreiheit«, o.sch.
FORTSCHRITT. Von einer Harmonie zu einer höhe-
ren führt nur die Dissonanz. Aller Fortschritt
beruht, psychologisch betrachtet, auf »Uberkompensa-
tion« irgend einer Seite des Geistes- und Seelenlebens,
weil der Begriff eines »Fortschritts« anders als einsinnig
und folglich einseitig garnicht zu fassen ist; dank ihr
allein entsteht auch die erforderliche Bewegtheit. . .
Bei der Vervollkommnung gilt es niemals, Aus-
geglichenheit durch bloße Reduktion der Fehler zu er-
reichen , sondern vielmehr einen höheren, weitere Ge-
biete umfassenden Spannungsgrad. Eine gegebene Über-
kompensation darf niemals rückgängig gemacht werden,
sie muß durch entsprechende Ausbildung der unent-
wickelt verbliebenen Teile in eine Harmonie höherer
Ordnung übergeleitet werden, graf Hermann Keyserling.
1»24. xii. 8.