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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Heft 1
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Feuchtersleben, Ernst von: Gedanken und Maximen: Bemerkungen zur Diätetik der Seele
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0064

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46

INNEN-DEKORATION

w1enerberger werkstattenschule—wien keramische proben in buntek lasur

GEDANKEN UND MAXIMEN

bemerkungen zur diätetik der seele

Das Leben streut überall Aufgaben, und für den Auf-
merksamen — in Symbolen — Grundsätze aus.
Ein gleiches leisten vortreffliche Bücher, und erfahrene,
weise Menschen. Wir müssen überall hinhorchen, wo-
her Beruhigung und Kräftigung zu gewärtigen ist..

*

Ein gemäßigter Optimismus, wie er ja ohnehin
aus einer echten Philosophie des Lebens entspringt, gehört
zur »Diätetik« der Seele. Wer mit der Welt nicht zufrie-
den ist, wird es auch mit sich selbst nicht sein. Und wer es
mit sich nicht ist, — wird er sich nicht in Unmut aufzehren?



Der Grundfehler des Menschen ist Trägheit. Er
untergräbt in tausend Formen unser Wohlsein. Ein tüch-
tiger Mensch muß immer ein tüchtiges Werk vor sich
haben. Eine Aufgabe, die ein Zusammenstreben aller
seiner Kräfte verlangt. Dieses Leben ist ja doch nur eine
Spannung, mehr oder weniger gewaltsam. Jedes Nach-
lassen ist ein Erkranken, Ersterben . . Ich muß wollen,
ich will müssen. Wer das Eine begreifen, das andere
üben gelernt hat, der hat die ganze Diätetik der Seele.

Gedeihlich ist eine stete,dankbare Aufmerksamkeitauf
die Millionen unbemerkter, immer wiederkehrender Fre u-
den, die uns der Lauf der Stunden zufließen läßt. Wieviel
freudige Empfindungen läßt der Mensch mit stumpfer
Gleichgültigkeit täglich sich an ihm versuchen, — deren
Anerkennung ihm ein dauerndes Behagen geben würde!

*

Eine geistige »Atmosphäre«, — wie eine äußere,
umgibt unsere Welt und jeden ihrer Teile. In sie ver-
breiten sich alle lebendigen Wirkungen des Einzelnen
zu einem Ganzen. Aus ihr wirken sie, ihm unbewußt,
auf den einzelnen zurück. Gedanken, Empfindungen,
Vorstellungsweisen schweben ungesehen in der Atmo-
sphäre, wir atmen sie ein, assimilieren sie, und teilen

sie mit, ohne uns dieser Vorgänge deutlich bewußt zu
sein. Man könnte sie die äußere Seele der Welt nennen;
der »Geist der Zeit« ist ihr Reflex in der Geschichte,
und das merkwürdige Phänomen der »Mode« eine Fata
Morgana dieses »Lufikreises« . . Er umgibt auch die klei-
neren Kreise der Gesellschaft; Gedanken lösen sich in
ihm auf und beeinflussen diejenigen, die wir unsere
eigensten wähnen. Ist er gleich das naturnotwendige Er-
gebnis der organischen Wirkungen eines Ganzen, so
bemerkt der genaue Beobachter doch bald, wie vorzugs-
weise die Lebensenergie eines Einzelnen ihn bestimmt,
ihn zum Träger seines Daseins weise und diese dadurch
zu der seiner Umgebung macht: ein gemütliches Lachen,
so recht von Herzen aus, der Geist einer unverwüstlich
frohen Laune reißt in sanften aber unwiderstehlichen
Schwingungen eine ganze Gesellschaft mit sich fort . .

*

Wären wir von Kindheit an gewohnt, unsere Um-
gebung zu einer freundlichen »Ordnung« zu gestal-
ten, so würde auch unser Inneres diese Ordnung durch
eine harmonische Stimmung der Seele abspiegeln. In
einem aufgeräumten Zimmer ist auch die Seele aufge-
räumt. Die Hauptsache aber in der Kunst, sich vor übler
Laune zu wahren, liegt in der Erkenntnis und richtigen
Behandlung der Momente. Der Mensch kann nicht immer
zu allem aufgelegt sein, aber er ist immer zu Etwas auf-
gelegt. Dieses tue er und begnüge sich mit der Einsicht,
daß der Wechsel nun einmal unter dem Monde Gesetz ist.

Das Vermögen, sich »etwas anzugewöhnen«, ist die
liebevollste Einrichtung der gütigen Vorsehung, den Ge-
schöpfen Dauer zuzusichern. Es ist die Kraft der Leben-
digkeit: sich zu behaupten und das Fremde leise in sich
selbst zu verwandeln. Sich zum Rechten gewöhnen
ist der Inbegriff der ganzen Moral — und zugleich der
Seelen-Diätetik. . . ernst Freiherr von feuchtersleben.
 
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