DOI Artikel:
Gropius, Walter: Die neue Bau-Gesinnung: Lebenskultur ist die Voraussetzung einer Baukultur
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0152
134
INNEN-DEKORATION
PROFESSOR HEINRICH STRAUKER—BERLIN SITZUNGS-SAAL IN DER »DRESDNER BANK«
DIE NEUE BAU-GESINNUNG
LEBENSKULTUR IST DIE VORAUSSETZUNG EINER BAUKULTUR
Um ein Ding so zu gestalten, daß es richtig »funk- »Handschrift« seines Schöpfers. Aber es ist irrig, daraus
tioniert«, — ein Gefäß, einen Stuhl oder ein Haus, die Notwendigkeit zur Betonung des Individuellen um
müssen wir sein Wesen vorher erforscht haben. Diese jeden Preis zu folgern! Im Gegenteil setzt die Entwick-
Wesens-Forschung ist nicht nur an die Gesetze der lung eines einheitlichen Weltbildes den Drang einer
Mechanik, Statik, Optik, Akustik gebunden, sondern Zeit voraus, die geistigen Werte aus individueller
auch an die Gesetze der Proportion . . Die Proportion Beschränkung zu befreien und zu objektiver Geltung
ist eine Angelegenheit der geistigen Welt, Stoff und emporzuheben. Dann folgt die Vereinheitlichung der
Konstruktion erscheinen als ihre Träger. Die Propor- materiellen Welt ganz von selbst nach. Also erst der
tion, gebunden an die Funktion des Dinges, sagt über bewußte Wille, das Persönliche zu objektivieren, gibt die
sein Wesen aus; ja es gibt ihm die Spannung, das eigene Voraussetzung zu einem einheitlichem Schaffen,
geistige Leben über seinen Nützlichkeits-Wert hinaus. *
Zwischen einer Vielheit gleichmäßig ökonomischer Die Sehnsucht nach Exaktheit und Einheit trägt für
Lösungs-Möglichkeiten, — denn es gibt nicht nur jeweilig die Schwachen die Gefahr einer »toten Ordnung« in sich,
eine für jedes Problem, — wählt das schaffende Indivi- Der Geist erstickt am Mechanistischen und an seinem
duum innerhalb der Grenzen, die ihm seine Zeit steckt, Zeichen, der Zahl, wenn er nicht beständig aus der
nach seinem persönlichen Empfinden und Geschmack die Quelle des Unbewußten getränkt wird. Vor solchem Ab-
ihm gemäße aus; das Kunstwerk trägt infolgedessen die irren rettet nur eine breite Lebens-Grundlage, eine
INNEN-DEKORATION
PROFESSOR HEINRICH STRAUKER—BERLIN SITZUNGS-SAAL IN DER »DRESDNER BANK«
DIE NEUE BAU-GESINNUNG
LEBENSKULTUR IST DIE VORAUSSETZUNG EINER BAUKULTUR
Um ein Ding so zu gestalten, daß es richtig »funk- »Handschrift« seines Schöpfers. Aber es ist irrig, daraus
tioniert«, — ein Gefäß, einen Stuhl oder ein Haus, die Notwendigkeit zur Betonung des Individuellen um
müssen wir sein Wesen vorher erforscht haben. Diese jeden Preis zu folgern! Im Gegenteil setzt die Entwick-
Wesens-Forschung ist nicht nur an die Gesetze der lung eines einheitlichen Weltbildes den Drang einer
Mechanik, Statik, Optik, Akustik gebunden, sondern Zeit voraus, die geistigen Werte aus individueller
auch an die Gesetze der Proportion . . Die Proportion Beschränkung zu befreien und zu objektiver Geltung
ist eine Angelegenheit der geistigen Welt, Stoff und emporzuheben. Dann folgt die Vereinheitlichung der
Konstruktion erscheinen als ihre Träger. Die Propor- materiellen Welt ganz von selbst nach. Also erst der
tion, gebunden an die Funktion des Dinges, sagt über bewußte Wille, das Persönliche zu objektivieren, gibt die
sein Wesen aus; ja es gibt ihm die Spannung, das eigene Voraussetzung zu einem einheitlichem Schaffen,
geistige Leben über seinen Nützlichkeits-Wert hinaus. *
Zwischen einer Vielheit gleichmäßig ökonomischer Die Sehnsucht nach Exaktheit und Einheit trägt für
Lösungs-Möglichkeiten, — denn es gibt nicht nur jeweilig die Schwachen die Gefahr einer »toten Ordnung« in sich,
eine für jedes Problem, — wählt das schaffende Indivi- Der Geist erstickt am Mechanistischen und an seinem
duum innerhalb der Grenzen, die ihm seine Zeit steckt, Zeichen, der Zahl, wenn er nicht beständig aus der
nach seinem persönlichen Empfinden und Geschmack die Quelle des Unbewußten getränkt wird. Vor solchem Ab-
ihm gemäße aus; das Kunstwerk trägt infolgedessen die irren rettet nur eine breite Lebens-Grundlage, eine