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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Corwegh, Robert: Vom Warten: Gedanken in einem Wartezimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0221

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INNEN-DEKORATION

203

PROFESSOR
W REGERi
SUPRA-
PORTE

»VOM WARTEN«

GEDANKEN IN EINEM WARTEZIMMER

Uber das »Antichambrieren« wurde immer verurtei- Auch die Länge der Wartezeit verkündet mancher-

lend geschrieben. Aber nicht allein für den, der lei. Weiß ich, daß bei einem hohen Regierungsbeamten

andere warten läßt, erweist sich diese Einrichtung oft nur ein Besucher vor mir ist, und daueit die Zeit lang,

als sehr fördernd. Sondern auch für den Wartenden so pflegt jener voraussichtlich ein Schwätzchen zu Heben,

kann — im amtlichen Verkehr wie im Privatleben, — das vom Thema abzuschweifen. Ich kenne den hohen Herrn

Antichambre zur »Anregung« werden 1 Er kann aus dem also in einer wichtigen Eigenart, ehe er mich kennt. .

Wartezimmer sehr häufig Eigenarten des Empfangenden ★

herauslesen, und sein Verhalten diesem gegenüber dann Als ich zur Audienz bei dem Majordomus des Pap-

als Seelenkenner dementsprechend einstellen...... stes geladen war, — es handelte sich da um ein Gesuch

★ von mir als Kunstgelehrten, dessen abschlägiger Bescheid
Bei einem Besuch soll man allerdings sich die »Warte- ziemlich gewiß war, — ließ man mich in einem wunder-
zeit« bis zum Erscheinen der Besuchten nicht durch vollen Raum mit einer Madonna Peruginos an der Haupt-
neugieriges Umhergehen verkürzen. Wie aber kann man wand, mit großen Tischen, auf deren grünen Decken sil-
die leicht bewegten Augen am Herumirren hindern? . berne Leuchter und Tintenfässer standen, und hohen
Da bleiben sie auf den Bildern und Möbeln, auf dem Sesseln auf weichem, persischem Teppich mindestens
vielen Krimskram eines sogenannten »guten Zimmers« eine halbe Stunde warten. Die stille und stilvolle Um-
hatten,— und der prüfende Verstand zieht seine Schlüsse, gebung verlieh Ruhe und Sammlung, minderte die Un-
Uber den Flügel liegt eine kostbare Decke gebreitet, auf geduld und ließ mich die persönliche, liebenswürdige
ihr stehen Photographien und verschiedene Vasen. Die Ablehnung ohne jede Empfindlichkeit entgegennehmen.
Schlußfolgerung ist leicht gemacht: in diesem Hause Die Herren in Rom sind vortreffliche Menschenkenner,
wird nicht musiziert, — und es ist besser, das Gespräch *

von diesem Gebiete fernzuhalten . . Oder der Schreib- Hat man aber zum Warten lange Zeit, verläßt man
tisch ist mit einem bunten Vielerlei von Kleinigkeiten be- den gebotenen Sitzplatz und geht umher, dann erschließt
deckt, bietet wenig Fläche für einen Schreibenden. Man jede Kleinigkeit Einblicke. Dort eine Photographie von
folgert: die Herrschaften benutzen ihre guten Räume Taormina spricht von Reisen oder Reise-Sehnsucht. Eine
nur in Gegenwart von Gästen . . Nach dem Warteraum offene Schale mit Zigaretten verrät meist den Sonntags-
eines Arztes, nach dem Stil der Einrichtung, der Aus- raucher; — denn welcher Raucher ließe die Zigaretten
wähl hingestreuter Lektüre schließe ich auf die Art einstauben? . Bücher und Zeitschriften lassen schon in
seiner Praxis. Selten nur gehen diese Folgerungen fehl, den Titeln Geschmack und Bildungsstufe erraten. Schlägt
 
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