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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Hölderlin, Friedrich: Der ewige Vollendungs-Gang: Worte
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0300

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282

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR CARL SATTLER — MÜNCHEN LANDSITZ »HOCHRIED«—MURNAU. SEE-SEITE

DER EWIGE VOLLENDUNGS-GANG

worte von friedrich hölderlin

Das Leben ziTf ordern, den ewigen Vollendungs- Aus bloßem Verstand ist nie Verständiges, aus bloßer
Gang der Natur zu beschleunigen, — zu vervoll- Vernunft ist nie Vernünftiges gekommen . . Verstand
kommnen, was er vor sich findet, zu idealisieren, das ist ohne Geistes-Schönheit wie ein dienstbarer Ge-
ist überall der eigentümlichste, unterscheidendste Trieb seile, der den Zaun aus grobem Holz zimmert, wie ihm
des Menschen, und alle seine Künste und Geschäfte, und vorgezeichnet ist, und die gezimmerten Pfähle anein-
Fehler und Leiden gehen aus jenem hervor . . Warum andernagelt, für den Garten, den der Meister bauen will,
haben wir Häuser, Gärten und Felder? Weil der Des Verstandes ganzes Geschäft ist Notwerk. Vordem
Mensch es besser haben wollte, als er es vor- Unsinn, vor der Unordnung, vor dem Unrecht schützt
fand! . Warum haben wir Handel, Schiffahrt, Städte, er uns, indem er »ordnet«; aber sicher zu sein vor
Staaten mit allen ihrem Getümmel, und Gutem und Unsinn und vor Unrecht ist doch nicht die höchste

Schlimmem? Weil der Mensch es besser haben wollte, Stufe menschlicher Vortrefflichkeit 1..........

als er es vorfandI Warum haben wir Wissenschaft, *

Kunst, Religion? Weil der Mensch es besser haben wollte, Vernunft ist ohne Geistes-, ohne Herzensschönheit

als er es vorfand! Auch wenn sie sich untereinander wie ein Treiber, den der Herr des Hauses über die

mutwillig aufreiben, — es ist, weil ihnen das Gegen- Knechte gesetzt hat; er weiß so wenig als die Knechte,

wärtigenichtgenügt, weil sie es anders haben wollen, was aus all der unendlichen Arbeit werden soll, und ruft

und so werfen sie sich früher ins Grab der Natur, be- nur: »Tummelt euch!«. Und siehet es fast ungern, wenn

schleunigen den Gang der Welt............. es vor sich geht, denn am Ende hätt' er ja nichts mehr

* zu treiben und seine Rolle wäre gespielt.......

Um so fortzumachen, wie die Vorväter es anfingen Leuchtet aber das Ideal der Schönheit der streben-

auf dem Wege der Kunst und der Wissenschaft, müssen den Vernunft, so fordert sie nicht blind und weiß, warum,

die Nachkömmlinge eben diesen Trieb in sich haben, wozu sie fordert.. Scheint, wie der Maitag in des Künst-

der die Vorväter beseelte; sie müssen, um zu lernen, lers Werkstatt, dem Verstände die Sonne des Schö-

organisiert sein wie die Meister; nur fühlen die Nach- nen zu seinem Geschäfte, so schwärmt er zwar nicht

ahmenden jenen schaffenden Trieb schwächer, — und hinaus und läßt sein Notwerk stehen, — doch denkt er

er kommt nur in den Gemütern der Originale, der gerne des Festtags, wo er wandeln wird im verjün-

Selbstdenker, der Erfinder lebendig zum Vorschein, genden Frühlingslichte....., . Friedrich Hölderlin.
 
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