Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

DOI Artikel:
Lessing, Theodor: Natur und Geist: nur der Naturverbundene Geist ist schöpferisch!
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0328

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
310

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT LUDWIG KOZMA-BUDAPEST KAMIN IN EINEM EMPFANGSRAUM

»NATUR UND GEIST«

NUR DER NATURVERBUNDENE GEIST IST SCHÖPFERISCH I

Gleichwie das Licht und die Flamme, solange sie
umschlossen bleiben vom Kreislauf des Lebens, das
allbelebende und erwärmende Urwesen, ja vielleicht das
Wesen des Lebens selber sind, dagegen sobald sie ab-
getrennt und losgelöst der Natur gegenüber stehen, zum
schrecklichen Dämon werden, zum einzigen Element,
darin keinerlei organisches Leben mehr gedeihen kann
und welches alles Leben zu verzehren trachtet und wohl
am Ende aller Enden auch verzehren wird: genau so ist
das, was wir Menschen den »Geist« nennen, — so-
lange es umschlossen bleibt vom Kreislauf des Lebens,
das allbelebende und erwärmende Urwesen, ja vielleicht

das zeugende Wesen des Lebens selbst.........

Aber sobald der Geist sich losreißt vom Natur-
schoß und als wachbewußte Zweckwelt heraustritt aus
dem träumenden Element des Vorbewußten, so wandelt
er sich zum schrecklichen Dämon, darin keinerlei Seeli-
sches mehr gedeihen kann, und der alles Dunkle und
Schlafende aufzuzehren bemüht ist und wohl am Ende

aller Enden auch aufzehren wird.............

Dies ist nun das ganze Rätsel unseres Zeitalters,
unseres Menschen-Schicksals, unserer Kultur: die Los-
lösung und Unverbundenheit beider ist da! Der
Mensch als ein Stück »Naturseele« und der Mensch als
zweckesetzender »Geist« sind auseinandergetretenl
Das Schauspiel unserer Erdhälfte ist die Tragödie einer
Seele, die nicht mehr Schritt halten kann mit den Werken
und Werten, die sie aus sich selber herausgestellt hat.

Solche »Unverbundenheit« des Natur-Elements
mit dem Geistigen zeugt aber nach zwei Seiten hin
eine unvermeidliche Entartung: entgeistigte, sinnlose
Natur auf der einen Seite, — naturlose, seelenlose Gei-
stigkeit auf der anderen Seite . . Dort, wo in »modernen
Menschen« noch Naturtriebe durchbrechen, entbehren
sie der eingeborenen Vernunft und sinnvollen Schönheit,
welche überall dort das Leben durchgeistigen, wo die
Wesen noch einverschlungen blieben im kosmischen
Ring. Dort aber, wo der »moderne Mensch« aus dem
Natur-Element heraus und in maßloser Selbst-Uber-
hebung der Erde Übermächtigend gegenübertrat, da ist

er zum »Dämon« an ihr geworden............



Die todumlohte Bluttrunkenheit des »Triebrau-
sches« vormenschlicher Traum-Extase ersetzte das do-
mestizierte und mithin zivilisierte Menschentum längst
durch zahllose künstliche Nerven-Anregungen undLebens-
Aufkitzelungen vom Bewußtsein aus . . Schon Kant
hat in »Naturgeschichte des Himmels« den merkwür-
digen Gedanken geäußert, daß »mit dem Erkalten des
zentralen Erdfeuers auch Leidenschaften ihrer langsamen
Auskühlun g entgegen reifen. • Noch tiefer hat Nietzsche
diesem Gesetz der fortschreitenden »Vernüchterung«
nachgespürt. Für ihn wurde zur Überzeugung: »Auch
die Künste und selbst die Religionen sind heute »Nar-
kotika« des »überwachen« Bewußtseins, durchweiche
wir uns einen Traumzustand künstlich schaffen oder er-
 
Annotationen