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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Schiebelhuth, Hans: Reform-Freudigkeit: die Notwendigkeit der Wandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0405

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INNEN-DEKORATION

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architekt otto firle - berlin -halensee herrenzimmer in kalifornischer birke

schritts. Im Ernste wird niemand den Sinn ihrer Seg-
nungen verleugnen, so wenig, wie etwa auch nur einer
der Gegner des technischen Fortschritts bereit wäre,
seine Reisen ohne Zuhilfenahme der modernen Verkehrs-
mittel, dieses wichtigen Ausdrucks der zeitgenössischen
Reform des Reisewesens, zu machen. . .

Wie steht es mit der Reformfreudigkeit bei uns
Deutschen? Ich glaube, wir sind wie die alten Grie-
chen ein von Natur aus werdefreudiges Volk, deut-
lich manifestiert unsere Geschichte seit den ältesten
Tagen ein freies Wohlgefallen am Andern, am Tüfteln,
am Laborieren, eine Abneigung gegen starres, gestalt-
gebundenes Sein zugunsten der freien Kräfte des Wer-
dens. Die maßgeblichsten Betrachter und Urteiler sind
sich darüber einig, daß das Uberwiegen der Werdeselig-
keit gegenüber der Beharrung an der einmaligen Aus-
druckssetzung unser Segen und unser Fluch sei. Diesen
Charakterzug zeichnet Nietzsche einmal mit den Worten,
daß es die Deutschen in ihrer proteischen Natur kenn-
zeichnete, daß man nie so ganz Unrecht über sie habe.
Andere Beobachter sehen in dieser ausdrücklichen Wan-
dellust die Ursache dafür, daß sich das eigentlich Deutsche
so gern der Definition entzieht, dafür, daß — unsere
kühnste HoffnungI — die gültige deutsche Gestalt noch
zu leisten ist, eine Tat, die uns zum zweiten Normalvolk
des Abendlandes machen würde. Wie dem auch sei, die
positive Seite dieser Werdeseligkeit, dieser Wandellust,

dieser triebseligen Wonne am Gestalten, die uns des-
wegen nicht gestaltscheu zu machen braucht, ist die
Reformfreudigkeit. Von ihr können wir gar nicht genug
haben. Viel mehr noch als auf den Bahnen des öffent-
lichen, äußeren und allgemeinen Geschehens im engeren
Bezirk unserer Lebensgestaltung, im Bereich, wo wir uns
selbst, so wie Zaleukos den Lokrern, Gesetzgeber sind.

*

Nicht zuletzt dringt auch diese Forderung zur Reform-
freudigkeit, dies Geheiß: modern zu sein, in den Be-
zirk unserer Heimgestaltung ein. Da finden wir in
beinah jedem älteren Hause Dinge, die, wenn nicht Plem-
ber und Plunder, Kram oder Trödel, so doch überholte
und altmodische Einrichtung sind, da ist so manches in
der Gestaltung neuerungsbedürftig, unzeitgemäß, ja über-
flüssig, und bei diesen Dingen sollten wir zeigen, daß es
uns mit der Reformfreudigkeit ernst ist . . Auch die
Schöpfung stellt sich uns als eine kontinuierliche Wer-
dung dar, als ein Gestaltsystem, das sich ständig in Neu-
formen, vervollkommnungswillig, wieder erstellt..

Unsere Heimgestaltung ist keine einmalige Tat,
sie ist eine dauernde, mit unserem Leben, mit unserer
Zeit, mit unseren persönlichen Daseins-Verhältnissen
sich immer neu formulierende harmonische Aufgabe.
Wir müssen ihr gerecht werden durch Neulösungen, und
uns an die Weisheit der Redensart »Rom ist nicht in
einem Tage erbaut worden« erinnern, hans schiebelhuth.

1925. XI. 2'
 
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