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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Ritter, Heinrich: Das möblierte Zimmer: Innen-Einrichtung und Humanität
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0474

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456

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR PAUL GRIESSER-BIELEFELD KINDERZIMMER. HAUS B.—BIELEFELD

DAS »MÖBLIERTE ZIMMER«

INNEN-EINRICHTUNG UND HUMANITÄT

Warum wird von diesem wichtigsten aller Raum- Strindberg, der eine Angst-Psychose schwerer Art
typen so selten gesprochen? Millionen von Men- durchzumachen und daher auch häufig mit dem Schrecken
sehen leben als Untermieter im »möblierten Zimmer«, des »möblierten Zimmers« zu kämpfen hatte, verfuhr
ja es gibt kaum ein männliches Wesen, das nicht auf bei der »Anwärmung« eines solchen Raumes sehr radi-
kürzere oder längere Zeit zum Wohnen in derartigen kal; er redete mit der Zimmervermieterin nie ein Wort,
Räumen verurteilt wäre. Es ist kein Geheimnis, daß er wollte von ihrer Lebensgeschichte nichts erfahren,
diese Räume im Durchschnitt Gelasse der Ode und des weil sonst ihre Möbel in seinem Zimmer, die er seinem
Schauders sind, lieblose Anhäufungen von verdrossenen Leben »einverleibt« hatte, ihm innerlich wieder entfrem-
Möbeln, die nur widerwillig zu dienen scheinen, für det werden könnten. Sie würden zu »Requisiten in
empfindliche Menschen wahre Höllen, in denen gerade- einem fremden Drama werden« und das »Gewebe seines
zu Gemütskrankheiten gedeihen, — sei es auch nur in Geistes, das er darüber gezogen«, würde zerreißen . .
der leichten Form der weitverbreiteten »Buden-Angst«. Ich führe das hier an, weil sich in diesem Verfabren,
Das durchschnittliche »möblierte Zimmer« vereinigt freilich auf pathologische Weise überschärft, das Pro-
die feindlichen Einwirkungen der Fremde mit denen der blem des »möblierten Zimmers« darstellt: die Über-
lieblosen Nüchternheit und Kälte.. Behaglichkeit, Wärme windung der Fremde, das Einbeziehen des fremden
eines Raum-Eindrucks sind von den reicheren oder Apparats in das Leben des vorübergehenden Besitzers,
ärmeren Mitteln nicht abhängig. Als ob es nicht auch ★

möblierte Zimmer mit wertvollen Möbeln gäbe, die eine Die »Hilfe«, die da geleistet werden kann, besteht
geradezu giftige Kälte ausstrahlen! . Nein, das durch- in Menschlichkeit — ausgedrückt in taktvoller Aus-
schnittliche »möblierte Zimmer« ist ein lautredender rüstung des Raumes . . Und dabei fällt mir ein, daß
Zeuge dafür, wie weit noch die herz- und verständnislose alles Bemühen um das verständig und behaglich gestal-
Behandlung des Heimes verbreitet ist, wie wenig Wärme tete Heim kein bloßes Propagieren schöner Dinge und
dem Durchschnitt der Menschen im Herzen wohnt . . Formen ist, überhaupt nichts »Ästhetisches«, nichts, was
Alle, die fremde Menschen in ihre Wohnung auf- bloß Augen, Hand und Verstand angeht — sondern daß
nehmen, sollten bedenken, daß die Fremde schon Last es auf die Beförderung der Menschlichkeit abzieltl
genug ist; daß der Mieter schon mit einer geheimen Innendekoration, — das ist eigentlich bloß der Vor-
Angst den Raum betritt; daß er sich vor der Aufgabe wand, bloß das Material; das Eigentliche darin heißt:
sieht, einen fremden Raum mit der Körperwärme seines »Humanität«, und diese Humanität schließt in sich:
Lebens einigermaßen auszuwärmen und bewohnbar zu Beachtung des eigenen und des fremden Seelen-
machen. Er verlangt dazu nichts als ein wenig HilfeI lebens, Kenntnisse der günstigen Formen und Farben,
 
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