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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Morgenstern, Christian: Mensch, Welt und Raum: Aphorismen
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Kracauer, Siegfried: Der Weg zur Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0037

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INNEN-DEKORATION

13

PROFESSOR EDUARD PFEIFFER-MÖNCHEN. BRUNNEN IM GARTEN. HAUS BUSSE

und nicht bloß alleiner, unterschiedloser Geist, sondern
differenzierter, tausendfältig gearteter, gestufter Geist?
. . Ich sehe das Unvermeidliche herannahen: daß den
Menschen eines Tages in größerer Anzahl zum Bewußt-
sein kommt, — nicht nur nominell wie bisher, sondern
faktisch, — daß sie in der Unendlichkeit leben.

*

Heute sehen die Menschen noch nicht den Raum;
sie sehen den Himmel, — aber noch nicht den RAUM.

*

Es ist gut, daß wir Menschen Spiegel haben. Daß
wir für gewöhnlich unsere eigene Miene nicht sehen,
ist wohl eines der unheimlichsten Dinge, die es gibt.

*

Jeder Mensch ist ein neuer Versuch der Natur: über
sich ins Reine zu kommen. . Leben ist die Suche des
Nichts nach dem Etwas. . . . Christian Morgenstern.



DER STROM DES LEBENS. Künstlerische Schöp-
fung ist ein niemals endender Strom. Was
modern ist für die neue Generation, ist es nicht länger für
die nächste. In der Kunst gibt es, — ungleich der Wissen-
schaft — nicht nur einen einzigen »richtigen« Weg. Nur
Stillstand ist falsch, da er die phantasiehafte und schöpfe-
rische Wesenheit der Kunst selbst belügt, fiske kimball.



KUNST »bedeutet« nie etwas, sie ist etwas. Gerade
darauf beruht ihre Überlegenheit gegenüber son-
stigen Äußerungen des Menschengeistes: daß nichts
hinter ihr, — alles in ihr steckt.. karl Christian bry.

»DER WEG ZUR WIRKLICHKEIT«

Dostojewski sagt einmal, daß das deutsche Volk, dieses
»große, stolze und besondere Volk«, noch nie sein
eigenes, scharf formuliertes Wort ausgesprochen habe.
Statt einer sichtbaren, gestalteten »Welt«, die unserem
Geiste eine sichere »Heimal« ist, findet er bei uns nur
eine »Idee«, die bestehende Formen sprer gt.. Der Geist,
der das Ich zum Mittelpunkt der Welt macht, statt es
in der Haft einer geformten Welt zu belassen, gelangt
notgedrungen zum »atomisierenden Individualismus«,
zum »Persönlichkeits-Individualismus«, der jedem Men-
schen die Entfaltung seines nur ihm eigenen Wesens vor-
schreibt, zum »Idealismus«, der statt gestalthafter Vor-
bilder abstrakte Formulierungen gibt, die auf keine be-
stimmte Wirklichkeit mehr hindeuten und die vorhandene
ihres Eigenwertes berauben . . Die Sprengung der Ge-
staltgrenzen führt schließlich den Geist ins Unbegrenzte
hinaus. Vollkommenheit weicht der Vervollkommnung,
jede Stufe des Seins ist bloß Vorstufe . . Diese Art des
Denkens, die aus der Bewegung einen Selbstzweck
macht, hindert uns daran, uns in das reale Dasein, in ge-
sellige Zustände mit ihren mannigfachen Bedingtheiten
sicher einzuleben und einzufügen; sie ist heute gesamt-
europäisches Schicksal . . Das einzige, was uns zu tun
bleibt, ist: außer einem stillen Warten und innerer Be-
reitschaft, bewußter Verzicht auf jede Art idealistischen
Höhenrauschs und eine ebenso bewußte, tätige Zuwen-
dung der ganzen Seele zu der von ihr erfaßbaren kon-
kreten Wirklichkeit unseres Lebens, dr. s. kracauer.

1926. I. 3.
 
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