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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Schopenhauer, Arthur: Mensch und Zukunft: in der Jugend und im Alter
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0062

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INNEN-DEKORATION

haus alexander koch in darms tadt blick ins speisezimmer. möbel mahagoni

MENSCH UND UMWELT

in der jugend und im alter

v;

rom Standpunkt der Jugend aus gesehn, ist das wir jünger und frischer waren. So täuscht uns alsdann

Leben eine unendlich lange Zukunft voll grenzen- in der Erinnerung die Zeit unter der Maske des Raumes,

loser Hoffnungen; vom Standpunkt des Alters aus eine Reisen wir hin, so werden wir der Täuschung inne . .

sehr kurze Vergangenheit; sodaß es anfangs sich uns *

darstellt wie die Dinge, wann wir das Objektivglas des Ein hohes Alter zu erreichen, gibt es, bei fehlerfreier

Opernkuckers ans Auge legen, zuletzt aber wie wann Konstitution, als »conditio sine qua non« zwei Wege, die

das Okular. Man muß alt geworden sein, also lange ge- man am Brennen zweier Lampen erläutern kann: die eine

lebt haben, um zu erkennen, wie kurz das Leben ist. . brennt lange, weil sie, bei wenigem Ol, einen sehr dünnen

* Docht hat; die andere, weil sie, zu einem starken Docht,
Tiefe Wahrheiten lassen sich nur erschauen, nicht auch viel Ol hat: das Ol ist die Lebenskraft, der Docht

errechnen, d. h. ihre erste Erkenntnis ist eine unmittel- der Verbrauch derselben, auf jede Art und Weise . .

bare und wird durch den momentanen Eindruck hervor- *

gerufen: sie kann folglich nur eintreten, solange dieser Wann wir jung sind, vermeinen wir, daß die in
stark, lebhaft und tief ist. Demnach hängt, in dieser unserm Lebenslauf wichtigen und folgenreichen Begeben-
Hinsicht, alles von der Benutzung der Jugendjahre ab. heiten und Personen mit Pauken und Trompeten auf-
in den späteren Jahren können wir mehr auf Andere, ja treten werden: im Alter zeigt jedoch die retrospek-
auf die Welt einwirken: weil wir selbst vollendet und tive Betrachtung, daß sie alle ganz still, durch die
abgeschlossen sind und nicht mehr dem Eindruck an- Hintertür und fast unbeachtet hereingeschlichen sind. .
gehören: aber die Welt wirkt weniger auf uns. Diese *

Jahre sind daher die Zeit des Tuns und Leistens; jene Man kann das Leben des Menschen mit einem ge-

aber die des ursprünglichen Auffassens und Erkennens. stickten Stoffe vergleichen, von welchem jeder, in der

* erstenHälfte seiner Zeit, die »rechte« Seite, in der zweiten
Bisweilen glauben wir, uns nach einem fernen Orte aber die »Kehrseite« zu sehen bekäme: letztere ist nicht

zurückzusehnen, während wir eigentlich uns nur nach so schön, — aber lehrreicher; weil sie den Zusammen-

der Zeit zurücksehnen, die wir dort verlebt haben, da hang der Fäden erkennen läßt.. arthur Schopenhauer.
 
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