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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Michel, Wilhelm: Das Ringen um das Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0100

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76

INNEN-DEKORATION

ENTW: ELEONORE SUSSET — STUTTGART HANDBEDRUCKTE LEINEN-OARDINE

DAS RINGEN UM DAS WERK

VON WILHELM MICHEL

Arbeit ist diejenige Tätigkeit, die darauf ausgeht, das Eine Erfindung existiert ebenso erst dann, wenn sie aus
. Angesicht der Erde nach den Zwecken des Men- dem ideenhaften Stadium in das Stadium einer prakti-
schen zu »verändern«. Ihr Ausgangspunkt ist die Idee, sehen, erprobten Lebensbilfe getreten ist. . Ein Kunst-
ihr Ziel ist das Werk . . Zwischen der Idee und dem werk, ein Werk architektonischer oder gewerb-
Werk, zwischen der geistigen und der leiblichen Geburt licher Form hat erst dann »Wirklichkeit«, wenn sich
der Leistung steht die Arbeit inmitten als die fest- seine Idee vollgetrunken hat mit Materie, wenn seine
machende, versinnlichende Kraft. Die Arbeit gibt dem Idee die — mit Recht zunächst widerspenstigen — Werk-
Werk den Körper, mithin die eigentliche Existenz neben Stoffe, Zwecke, Arbeitsbedingungen wahrhaft ergriffen,
den anderen körperlichen Dingen dieser Welt. Die mit ihrer Ordnung durchwirkt und schließlich zum
Arbeit fügt dieldee erst leibhaftig in die Wirklichkeit ein. echten Leib umgeschaffen hat.. Die von zarten Geistern
Erst die verkörperte, unter zähem Ringen stofflich, räum- sooft beklagte »Widerspenstigkeit« der Dinge und
lieh und individuell gewordene Idee hat wahres Dasein Menschen ist in Wahrheit das wertvollste Element alles
und entfaltet eine unzweideutige, verändernde Wirkung, geschichtlichen und geistigen Geschehens: sie scheidet
Dieser Sachverhalt ist seit Urzeiten bekannt. Aber die unkräftigen Ideen von den kräftigen, sie zwingt die
nur wenige Menschen pflegen ihn geistig vollkommen zu Idee zur vollen Entfaltung ihrer Macht, sie läßt nur
durchdringen. Nur wenige Menschen wissen, daß ein wahre Siege des Geistes über den Stoff zu, sie hat be-
Gedanke nicht schon damit »ausgesprochen« ist, wenn wirkt, daß die Menschenwelt bis heute eine kraftdurch-
er aphoristisch und eben nur als »Gedanke« ins Wort drungene, unzweideutige und leibhafte Welt geblieben
gebracht ist. Der Stoff gehört ganz wesentlich zum ist . . Sinnvolle Arbeit, das Ringen um das Werk
Dasein dieses Gedankens . . Nehmen wir an, es handle heißt die Kraft, die den Widerstand des Stoffes zum
sich um einen philosophischen, einen wissenschaftlichen freudigen Gehorsam macht. Ihr Ergebnis ist die rechte
Gedanken: er »existiert« erst dann, wenn er sich durch Gestalt, die ebenso beseelt wie sinnenhaft wirklich ist.
die Denkwelt des Urhebers durchgekämpft, wenn er Von hier aus wird dem geistigen Menschen das
alles Erreichbare an Beziehungen, Anwendungen, Aus- Wesen der Arbeit klar in seiner Würde und Wichtig-
wirkungen an sich gezogen hat, wenn er sich sichtbar keit. Er wird diese Wichtigkeit um so höher anschlagen,
erhebt, weit in die Erscheinungswelt vorgewagt und je redlicher er die Arbeit getan hat. Die zähe Geduld,
sich dort als eine organisierende Kraft bewährt hat. das buchstäbliche Anpacken, das gelassene, unermüd-
 
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