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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Frank, Willy: Kulturgestalt - Lebenstempo
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0128

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INNEN-DEKORATION

PROF. P. L. TROOST. AUSFÜHRUNG: M. BALLIM GESELLSCHAFTSRAUM EINER LUXUS-JACHT

KULTURGESTALT — LEBENSTEMPO

Die Schnelligkeit der Fortbewegung ist nichts mehr, Kirchen im Süden sich wandeln sehen zu gotischen und
was den Menschen an den modernen Verkehrs- romanischen Typen: dann wird die Bindung dieser reich
mittein befremdet. Er ist seit Generationen mit einem durchmodellierten Kultur- Gestalt unserer Heimat an die
»neuern Tempo« der Raum-Uberwindung vertraut . . Verkehrsmittel einerlängst versunkenen Zeit uns bewußt.
Aber sonderbar und nachdenklich berührt ihn immer Wir fühlen die Bedrohung, die sich hieraus für diese
noch, daß es in der Landschaft, die er durchfliegt, ein uns vertraute Kulturgestalt ergibt; wir ahnen vor allem,
anderes, ein »fixiertes Tempo« gibt, das ruhig in wieviel formgebende, weil bindende Mächte durch die
seinem Zeitmaß bleibt als ein teurer Uberrest aus Verkehrs-Beschleunigung vernichtet werden. Wir fühlen
früheren Epochen. Ich meine das Tempo, in dem die aber auch, daß wir den Blick über diese Bedrohung des
draußen vorbeigleitende Kultur-Gestaltung, die For- Alten hinaus richten müssen auf die Pflicht, in größeren
men der Häuser, der Zäune und Dächer, die Gewohn- Zusammenhängen, d. h. in schnellerer Raumüber-
heiten der Siedlung, die Art der Baustoffe usw. in ihren windung und daher in weiteren Räumen zu denken
verschiedenen Charakteren sich abstuft. Wir fühlen als unsere Vorfahren. Wie aber wird das vor sich gehen?
vielleicht heute erst, daß das Tempo, in dem diese jetzt Welche Folgen werden sich dabei zeigen? . Da schiebt
noch stehende Zivilisation ihre Straße gezogen ist, ein sich zwischen die geheimen Sorgen ein tröstlicher Ge-
zehnmal, ja zwanzigmal längeres gewesen ist, als das danke. Der Mensch zwar ist durch die Maschine be-
Tempo, in dem wir sie jetzt durchfahren. Wir haben weglicher geworden. Aber diese höhere Beweglichkeit
alle noch einen Rest dieses nach alter Zeit gemessenen des Menschen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß
Raumgefühls in uns, d. h. wir sind alle noch geprägt von die wesentlichen Bestimmungen jener Kulturgestalt der
einer Zeit, in der es Selbstverständlichkeit war, daß von Landschaft lange nicht im gleichen Grade »transpor-
hundert zu hundert Kilometern das zivilisatorische Ge- tabler« geworden sind. Das »Dialektische« z. B., nicht
sieht der deutschen Landschaft sich änderte. Wenn nur in der Sprache, sondern auch im landschaftlichen
wir nun in einer längeren Schnellzugsfahrt vom breit- Volkstemperament, in Sitte und Brauch, ist bis heute von
gelagerten alemannischen Hof zur feingegliederten frän- der Beschleunigung des Verkehrstempos kaum ergriffen
kischen Hausanlage, von da zum reichen Fachwerkbau worden. Es werden bestehen bleiben die meteorologischen
der Rheingebiete, von da zum roten Backsteinbau des Charaktere der Landschaften und all das andere, was
Nordens getragen werden, wenn die Dialekte, die der von Himmel her auf die Wohnstätten der Menschen
Lokalverkehr an unser Ohr trägt, in derselben Zeit sechs- wirkt. Die Baustoffe, die die Erde hergibt, werden auf
mal, siebenmal wechseln, wenn wir die Zwiebeltürme der unabsehbare Zeit hinaus ihre Bezirke beherrschen; der
 
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