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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Geron, Heinrich: Farben-Rhythmik im Raum: vom Musizieren mit der Farbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0135

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INNEN-DEKORATION

111

gertrud oraschberoer-münchen entwurf: bestickte kissenplatte

FARBEN-RHYTHMIK IM RAUM

vom musizieren mit der farbe

Beim Betreten eines auf farbige Wirkung gestellten
modernen Innenraums empfindet man einen klang-
lich-rhythmischen Reiz, etwas wie eine ganz echte,
heitere Daseinsmusik, die kühn und freudig macht, die
verzaubert, die einen mit Werten von Welt-Wohl-
wollen und Jugendlichkeit, etwas geradewegs Lebens-
bejahendem beschenkt. Man denkt da etwa an Mozart,
der die hellste, herzlichste, die himmlischste Lebens-
mitgift der deutschen Seele in seinen Tongedichten ein-
fiaR. jene reingestimmte Lebensleichte, jene wunder-
same Hingabe an die klingende und singende Welt-
vernunft, an das Tänzerische in seiner tiefsten Bedeutung.

Das Neue und eigentlich Bedeutende der modernen
Lösungen für farbige Innenräume liegt ganz und gar in
der freien und unschematischen Verwendung farbiger
Rhythmik, in dem bewegten und gelösten Spiel der
buntheitlichen Beschwingung. Man war noch vor recht
kurzer Zeit oft allzu pedantisch mit der Verwendung von
Farben in der Innendekoration, man stellte irgend einen
Raum auf Rot, auf Grün, auf Blau; wagte vielleicht far-
bige Zweiklänge (»Schwarz-weiß«-Zimmer,»BIau-gelb«-
Zimmer) oder auch Dreiklänge; blieb also immer bei der
Verwendung breiter Farbflächen, großer Ton-Massen.

Heute beginnen die Innenraum-Gestalter die klein-
flächig-belebte Anwendung der Farbe anzuregen. Es
handelt sich um einen neuen Antrieb: »mit der Farbe
zu musizieren«. Man läßt die Farbe spielen, wieder-
kehren, in freien Tonfolgen von gewollt assymetrischer
Anordnung einander ablösen, bestätigen und bestimmen..
Der altmodische auf Farbe gestellte Raum »schummerte«,
blieb stumpf, die Farben wollten und konnten nicht
»singen«; abends, wenn die Lampe angesteckt war, fing
die Stube an zu munkeln, — ach, es war ein graues, altes
Märchen, ein eintöniger Singsang, eine Form zu reden
und zu sagen, die den Reiz der Dinge lieber verschwieg
und verhüllte, anstatt ihn tönen zu lassen! Der moderne
Buntraum aber weiß um die Reize, um die Farbklänge,
um die Spiel werte; er hat Glissandi und psalternde Skalen,
er ist melodisch, seine Rhythmen sind leicht, gelöst, heiter.
In morgenländischer Verliebtheit heben und beschwich-
tigen die wohlgewählten Töne einander, harmonisch rein-
gestimmt in herzhaft-kräftiger Buntheit machen sie ihre
artige Musik —, und da ja alle Menschen im Grunde
Musik lieben, tut dieser Farbklangzauber den Wohnern
im Heim und ihren Gästen als eine Aufforderung zur
Freude und Daseinslust wahrlich wohl. . heinrich geron.

1926. IH. 3
 
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