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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Simmel, Georg: Leben und Form: die unendliche Fruchtbarkeit des Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0244

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220 INNEN-DEKO RATION

PROFESSOR EMIL FAHRENKAMP-DÜSSELDORF OVALER TEERAUM. »VIER }AHRESZE1TEN«-HAMBURG

»LEBEN UND FORM«

DIE UNENDLICHE FRUCHTBARKEIT DES LEBENS

Sobald das Leben über das bloß Animalische hinaus nicht mehr unterkommt. Sie zeigen eine eigene Logik
zur Stufe des Geistes vorgeschritten ist und der und Gesetzlichkeit, einen eigenen Sinn und Widerstands-
Geist seinerseits zur Stufe der Kultur, wird in ihm ein kraft, in einer gewissen Abgelöstheit und Selbständig-
innerer »Gegensatz« offenbar, dessen Entwicklung, Aus- keit gegenüber der seelischen Dynamik, die sie schuf; im
trag, Neuentstehung den ganzen Weg der Kultur aus- Augenblick dieses Schaffens entsprechen sie viel-
macht. . Offenbar nämlich sprechen wir von »Kultur«, leicht dem Leben, — aber im Maße seiner Weiterent-
wenn die schöpferische Bewegung des Lebens gewisse faltung pflegen sie in starre Fremdheit, ja in Gegen-
Gebilde hervorgebracht hat, an denen sie ihre Äußerung, sätzlichkeit zu ihm zu geraten.

die Formen ihrer Verwirklichung findet, und die ihrer- Hier nun liegt der letzte Grund davon, daß die Kultur

seits die Flutungen des nachkommenden Lebens in sich eine Geschichte hat. . Wenn das geistgewordene

aufnehmen und ihnen Inhalt und Form, Spielraum und Leben fortwährend solche Gebilde schafft, die eine

Ordnung geben; so die sozialen Verfassungen und die Geschlossenheit in sich selbst und einen Anspruch auf

Kunstwerke, die Religionen und die wissenschaftlichen Dauer, ja auf Zeitlosigkeit tragen, so mag man sie als

Erkenntnisse, die verschiedentlichen Techniken und die die Form en bezeichnen, in die dieses Leben sich kleidet,

bürgerlichen Gesetze und unzähliges andere....... als die notwendige Art, ohne die es nicht in die Er-

Aber diese Erzeugnisse von Lebens-Prozessen haben scheinung treten, ohne die es nicht geistiges Leben sein
das Eigentümliche, daß sie im Augenblick ihres Ent- kann. . Es selbst aber strömt unablässig weiter:
Stehens schon einen eigenen festen Bestand haben, seine ruhelose Rhythmik tritt an jedem neuen Gehalt,
der mit dem ruhelosen Rhythmus des Lebens selbst, indem es sich eine neue Daseinsform schafft, in Wider-
seinem Auf- und Niedergang, seiner steten Erneuerung, Spruch gegen dessen feste Dauer oder zeitlose Gültig-
seinen unaufhörlichen Spaltungen und Wiedervereinigun- keit. . In rascherem oder langsamerem Tempo nagen die
gen nichts mehr zu tun hat. . . Sie sind Gehäuse des unermüdlichen Kräfte des Lebens an jedem einmal ent-
schöpferischen Lebens, das sie aber wieder verläßt, — standenen Kulturgebilde; sowie es zu seiner vollen Aus-
und des nachströmenden, das aber schließlich in ihnen bildung gelangt ist, beginnt darunter schon das
 
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